Channel-Beispiele für ein GIS-gebührenfinanziertes Flimmit aus dem Angebotskonzept an die Medienbehörde KommAustria: Kino "Made in Austria", "Fokus Europa", "Serienhelden", "Archivschätze".

Foto: ORF / Angebotskonzept Flimmit neu

Wien – Vor einem Dreivierteljahr wies die Medienbehörde den ORF mit seinem Plan brüsk ab, für seine bisher kommerziell geführte, aber Verluste machende Streamingplattform Flimmit GIS-Gebühren zu verwenden. Das Projekt sei wirtschaftlich nicht tragbar, befand die Behörde. Doch genau diese Tragbarkeit fordert das ORF-Gesetz für den GIS-Einsatz. Nun versucht es der ORF mit halbem Aufwand und weniger geplanten Erlösen noch einmal.

29,90 statt 75 Euro pro Jahr

Mit Gebühren sollen "Vorstadtweiber" und "Toni Erdmann", "Altes Geld" oder "Der Leihopa" günstiger kommen als bisher. Laut neuem Konzept soll der Zugang dank GIS-Einsatz für ein Jahr 29,90 Euro statt bisher 75 Euro für zwölf Monate kosten.

Ende 2019 kalkuliert der neue Antrag mit 6700 Kunden im Jahresschnitt, 2022 sollen es rund 12.000 sein, binnen zehn Jahren 2028 dann rund 53.000 im Jahressschnitt. Ein gebührenfinanziertes (und damit als öffentlich-rechtlich anerkanntes) Angebot kann der ORF auch in seinen Programmen mit "Hinweisen" promoten.

Kinderkanal und "preisgekrönte" Filme

Das neue Streamingkonzept verspricht etwa aktuelle österreichische und europäische Kinofilme, TV-Großproduktionen ("Maximilian", "Landkrimis"), Dokus, Serien, "Archivschätze" (etwa "MA 2412", "Ein echter Wiener"), einen Kinderkanal, auch Filme und Serien aus Deutschland und "preisgekrönte" internationale Filme; die Kategorie "preisgekrönt" oder "ausgezeichnet" wird schon beim gesetzlich vorgeschriebenen Anspruch im klassischen ORF-Fernsehen gern und breit genutzt.

"Hohes wirtschaftliches Risiko"

Beim ersten Anlauf konnte die Medienbehörde KommAustria aus dem Antrag nicht erkennen, wie viel Programmentgelt (der GIS-Anteil für den ORF) für Flimmit neu notwendig wäre. Genau das müsste aber erkennbar sein, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Konzepts zu beurteilen und den GIS-Einsatz zu genehmigen.

Die Behörde im Mai 2018: "Aus dem Antrag lässt sich das Verhältnis zwischen der Finanzierung aus Programmentgelt, Abo-Beiträgen und Einzelabrufen aufgrund des Mangels einer nachvollziehbaren Zurechnung der entstehenden Kosten und der starken Abhängigkeit von vom ORF nicht beeinflussbarer Faktoren (Produzenten, Akzeptanz durch die Nutzer) nicht abschließend beurteilen."

Sie schloss: "Je weniger Nutzer bereit sind, für das geplante Angebot einen Kostenbeitrag zu leisten, desto höher der Beitrag aus dem Programmentgelt aller Gebührenzahler, also auch jener, die den Dienst nicht nutzen."

Und: "Aufgrund der unklaren Angaben, der Abhängigkeit von äußeren Faktoren und des hohen Anteils an variablen Kosten ist ein hohes wirtschaftliches Risiko des geplanten Projekts gegeben."

Weniger Erlöse, halb so hohe Kosten

Das neue "Angebotskonzept für einen öffentlich-rechtlichen Abrufdienst mit fiktionalem Schwerpunkt (Filme und Serien)" beziffert und detailliert in einem "öffentlich-rechtlichen Business Case" die erwarteten Aufwände und Erlöse. Nun kostet das Projekt jährlich kaum halb so viel wie im ersten Antrag, auch die Erlöse sind geringer.

Auch der neue Antrag beginnt schon 2019, hofft also auf eine rasche Entscheidung der Medienbehörde (oder lag schon eine Weile im ORF). Im laufenden Jahr hofft der Finanzplan für Flimmit neu auf 550.000 Euro aus GIS-Gebühren; 167.000 Euro sollen aus Abos oder Nutzungsentgelt für einzelne Filme oder Serien kommen. Ergibt rund 717.000 Euro Umsatz. Das alte Konzept kalkulierte 2019 mit 821.000 Euro Umsatz und 1,35 Millionen Euro Aufwand für die Plattform. Der Aufwand wird im neuen Konzept günstiger – fast halb so günstig mit nun 707.250 Euro.

Im ersten Anlauf sollte Flimmit neu 2022 fast zwei Millionen Euro kosten und rund 1,5 Millionen einspielen. Im neuen Konzept kostet die Streamingplattform 2022 mit knapp 800.000 Euro weniger als halb so viel, sie nimmt mit 882.000 Euro aber auch deutlich weniger ein. 584.000 Euro sollen nun 2022 aus Gebühren kommen, 2023 dann 595.000 Euro.

Die Plattform soll laut Antrag 2019 knapp 10.000 Euro Ergebnis bringen, 2023 immerhin knapp 112.000. 2015 bis 2017 schrieb Flimmit laut Antrag insgesamt zwei Millionen Euro Verlust, auch 2018 lag die Plattform ein paar 100.000 unter null; ohne Gebühren sind 2019 rund 200.000 Minus kalkuliert.

Der ORF erhält derzeit aus GIS-Gebühren insgesamt rund 635 Millionen Euro (rund 300 Millionen Euro gehen an Bund und Länder). ÖVP und vor allem FPÖ drängen, die GIS zu reduzieren.

Neuer Anlauf vor neuem ORF-Gesetz

Das neue Angebotskonzept des ORF für einen auch GIS-finanzierten Streamingdienst ist mit 20. Jänner 2019 datiert. Nur drei Tage zuvor begannen ÖVP und FPÖ nach STANDARD-Infos intensiv über ein neues ORF-Gesetz zu verhandeln. Erklärtes Ziel: mehr Möglichkeiten für den ORF in der digitalen Welt. Sendungen sollen etwa länger als bisher sieben Tage nach TV-Ausstrahlung online abrufbar sein. Und: Der ORF soll enger mit Privatsendern kooperieren. Die lehnten das GIS-finanzierte Angebot schon den ersten Anlauf als zusätzliche, mit Gebühren subventionierte Konkurrenz ab.

Der von ÖVP und FPÖ dominierte ORF-Stiftungsrat drängt seit 2018 besonders intensiv auf die digitale Weiterentwicklung des ORF. Zentrales Projekt von ORF-Chef Alexander Wrabetz dafür: ein ORF-Player, eine Streamingplattform mit Empfehlungsfunktionen. Die Aboplattform Flimmit soll nach bisherigen Informationen auf Sicht Teil des Players werden. (fid, 13.2.2019)