In beinahe jeder Buchhandlung ist sie zu finden: die bis zum letzten Zentimeter gefüllte Abteilung mit Lebenshilfe-Ratgebern. Eine gut geölte Maschinerie ist hier am Werken und spült immer neue unverzichtbare Lektüre ins Regal, die ein geglücktes Leben erst ermöglicht. Man greife nur zum richtigen Büchlein und schon ist man gegen alle Unwägbarkeiten des Alltags gewappnet: mit dem Kind, das man soeben in einem entdeckt hat, kann man hübsche Ausflüge machen, wenn man krank wird ersetzt eine Heerschar von Hausmittelchen eine ganze Apotheke und wer sich nicht entscheiden kann, welchen Lifehack man als erstes anwendet, der kauft einfach einen Ratgeber, der bei Entscheidungsschwäche die richtigen Kniffe auf Lager hat. 

Sprichwörter und Sinnsprüche

Bereits Jahrhunderte vor den überquellenden Bücherregalen mit Lebenshilfe-Literatur erhofften sich Menschen Hilfe im Alltag. Vielfach war in Zeiten, in denen man ein Lebenstal durchschritt, die Religion ein Fixstern, nach dem man sich richtete. Aber auch weltliche Sinnsprüche konnten die Richtung des eigenen Handelns zumindest mitbestimmen.
Und so kamen schon im 18. Jahrhundert derartige Druckwerke auf den Markt, die mit kurzen eingängigen Sentenzen den Unschlüssigen, den Verzagten, den verirrten Schäfchen die korrekte Richtung weisen wollten.

"Durch die tägliche Erfahrung beglaubt gemachte Sprichwörter."
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Ein besonders schönes Beispiel dieser Buchgattung nennt sich 
"Proverbii verificati. per l’esperienza cotidiana" - "Durch die tägliche Erfahrung beglaubt gemachte Sprichwörter" und stammt aus dem Jahr 1718.

In der illustrierten Sprichwörtersammlung stehen sie in friedlicher Koexistenz nebeneinander: Sätze, die den Alltag erleichtern – von religiös inspirierten Sinnsprüchen bis hin zum weltlichen Lebensratgeber. So findet sich "Gott hilft den Arbeitsamen" gleich neben "Man muss mehr sehen und hören als reden" und "Wenn ein Blinder den anderen führt, fallen beide in die Grube".

"Wer meint, er sei allein gescheiter als alle anderen, der ist der größte Tor."
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"Man muss mehr hören und sehen als reden."
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"Wen die Tugend führt, der fällt und irrt nicht."
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"Gott hilft den Arbeitsamen."
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"Ein jeder ist König oder Herr in seinem Haus" (und trägt Gästepantoffel)!
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"Gott sieht und straft alles."
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"Der Neid gräbt sein eigenes Grab."
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"Weiberregiment nimmt kein gutes End!"
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"Beten und arbeiten – so soll es sein."
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"Die großen Fische fressen die kleinen."
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"Wer zuviel haben will bekommt nichts – oder er muss sich zu Tode arbeiten."
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"Gewalt geht vor Recht."
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"Wenn ein Blinder den anderen führt, fallen beide in die Grube."
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"Den treuen Freund erkennt man in der Not."
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"Ein Esel, der trägt, ist besser als ein Pferd, das abwirft."
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"Je später die Strafe, desto größer die Rache."
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Ja, da sind einige stark plakative Aussagen dabei! Und die einprägsamen Illustrationen tragen das ihrige dazu bei, dass die Sprüche im Gedächtnis haften bleiben. Auf jeden Fall waren sie wirksam. Da verweilten doch die meisten, die dieses Buch durchblätterten, bestimmt lieber in ihrem bescheidenen, gottgefälligen Leben, um nicht der Gefahr ewiger Verdammnis anheimzufallen. (Kurt Tutschek, 21.2.2019)