Die Simulation zeigt die Massendichte- und Temperatur-Verteilung einige Zeit nach dem Verschmelzen zweier Neutronensterne, kurz bevor das Objekt zu einem schwarzen Loch kollabiert.

Illustr.: C. Breu, L. Rezzolla

Am 17. August um 14:41 MESZ hat der Gravitationswellendetektoren Ligo in den USA ein kosmisches Ereignis registriert, das gewaltig genug war, minimale wellenförmige Verzerrungen in der Krümmung der Raumzeit hervorzurufen. Als Ursachen vermuten die Astrophysiker die Kollision und letztendliche Verschmelzung zweier Neutronensterne. Diese nur wenige Kilometer großen, ultradichte Sternenleichen bestehen aus kristallinen Eisenatomkernen, die einen Kern aus supraflüssigen Neutronen umschließen.

Die von dem Zusammenstoß ausgelösten Gravitationswellen bietet erstmals die Chance, einige grundlegende Fragen zur Struktur der Materie zu beantworten. Denn bei den extrem hohen Temperaturen und Dichten solcher Ereignisse vermuten Forscher einen Phasenübergang, bei dem die Neutronen in ihre Bausteine, die Quarks und Gluonen, zerfallen. Zwei internationale Forschergruppen haben nun Berechnungen darüber angestellt und im Fachjournal "Physical Review Letters" veröffentlicht, wie die Signatur eines solchen Phasenübergangs in einer Gravitationswelle aussehen könnte.

Phasenübergang in extremer Umgebung

Quarks, die kleinsten Bausteine der Materie, hat man in der Natur noch nie isoliert beobachtet. Sie sind vielmehr immer in Protonen und Neutronen gebunden. Ein Neutronenstern jedoch, der so viel wiegen kann wie unsere Sonne und doch nur einen Durchmesser von rund 20 Kilometern aufweist, besitzt einen so dichten Kern, dass ein Übergang von Neutronenmaterie zu Quarkmaterie auftreten könnte. Physiker nennen diesen Prozess einen Phasenübergang, ähnlich dem Verdampfen von Wasser.

Insbesondere ist ein solcher Phasenübergang möglich, wenn kollidierende Neutronensterne ein massives meta-stabiles Objekt mit Dichten bilden, die weit höher sein können als in Kernmaterie, und Temperaturen, die zehntausend Mal höher sind als im Inneren unserer Sonne. Um Nachricht von möglichen Phasenübergängen zu erhalten, könnten Gravitationswellen von verschmelzenden Neutronensternen sehr hilfreich sein. Der Phasenübergang müsste im Gravitationswellensignal eine charakteristische Signatur hinterlassen.

Wie diese aussehen könnte, haben die Forschergruppen aus Frankfurt, Darmstadt und Ohio sowie aus Darmstadt und Wroclaw nun mithilfe moderner Supercomputer berechnet. Dazu verwendeten sie unterschiedliche theoretische Modelle für den Phasenübergang.

Abweichung im Gravitationswellensignal

Findet ein Phasenübergang erst etwas nach der tatsächlichen Verschmelzung statt, tauchen geringe Mengen von Quarks allmählich überall im verschmolzenen Objekt auf. "Zum ersten Mal konnten wir mithilfe der Einstein-Gleichungen zeigen, dass diese kleine Änderung in der Struktur eine Abweichung im Gravitationswellensignal erzeugt, bis der neugebildete riesige Neutronenstern unter seinem eigenen Gewicht zu einem schwarzen Loch kollabiert", erklärt Luciano Rezzolla, theoretischer Astrophysiker an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

In den Computermodellen von Andreas Bauswein vom GSI Helmholzzentrum für Schwerionenforschung im Darmstadt tritt der Phasenübergang bereits direkt nach der Kollision auf – es bildet sich ein Kern von Quarkmaterie im Inneren des Zentralobjekts. "Wir konnten zeigen, dass es in diesem Fall eine deutliche Veränderung in der Frequenz des Gravitationswellensignals gibt", sagt Bauswein. "Damit haben wir für die Zukunft ein messbares Kriterium für einen Phasenübergang in verschmelzenden Neutronensternen identifiziert."

Ergänzende Experimente

Noch sind nicht alle Details des Gravitationswellensignals mit den bestehenden Detektoren messbar. Sie werden aber mit der nächsten Generation von Messgeräten beobachtbar sein, oder auch, falls ein relativ nahes Verschmelzungsereignis stattfindet. Einen komplementären Ansatz zur Beantwortung der Fragen über Quarkmaterie bieten zwei Experimente: Am existierenden Messaufbau HADES bei GSI und am zukünftigen CBM-Detektor an der Facility for Antiproton and Ion Research (FAIR) in Darmstadt, die gerade bei GSI errichtet wird, kann durch den Zusammenprall von Schwerionen komprimierte Kernmaterie entstehen. Dabei könnte es gelingen, Temperaturen und Dichten zu erzeugen, die vergleichbar mit den Zuständen in verschmelzenden Neutronensternen sind. Beide Methoden ermöglichen neue Einblicke in das Auftreten von Phasenübergängen in Kernmaterie und so auch in ihre grundlegenden Eigenschaften. (red, 16.2.2019)