Sarah Wiener bei der Pressekonferenz am Sonntag.

Foto: Regine Hendrich

Attraktiv sieht anders aus: Finanziell stehen die Grünen denkbar schlecht da. Böse Zungen sagen, schon der erste Listenplatz bei der EU-Wahl am 26. Mai komme einem Kampfmandat gleich. Widrigkeiten ist Sarah Wiener, die nun als Listenzweite für die krisengebeutelte Partei ins Rennen gehen wird, aber gewohnt. Und das seit ihren jungen Jahren. Die 56-Jährige hat keinen Schulabschluss, keine Berufsausbildung – und dem zum Trotz ist die in Deutschland lebende Österreicherin erfolgreich. Äußerst erfolgreich, muss man sagen. Sie betreibt drei Restaurants, ein Cateringunternehmen, hat zig Kochbücher veröffentlicht, und dann sind da noch ihre Auftritte als Fernsehköchin.

Es ist eine weite Reise. Wiener kommt 1962 in Halle in Westfalen zur Welt. Ihre Mutter Lore Heuermann ist eine bekannte Zeichnerin, der Vater Oswald Wiener Schriftsteller, Sprachwissenschafter, Jazzmusiker – ein Tausendsassa in der Kulturszene. Der Vater zieht nach Berlin, die Tochter wächst mit ihren zwei Geschwistern bei der Mutter in Wien auf. Statt in die Schule zu gehen, trampt Sarah lieber durch Europa. Mit Anfang 20 landet sie in Berlin, wo die Mutter eines Sohnes erfährt, was es heißt, von Sozialhilfe zu leben. Wiener kellnert im "Exil", dem Lokal ihres Vaters in Kreuzberg, und beginnt nebenbei mit dem Kochen.

Dieses Leben prägt. Wiener engagiert sich sozial wie auch gesundheitspolitisch – vor allem im Ernährungs bereich. 2007 wird die Sarah-Wiener-Stiftung "für gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen" gegründet. Dann ist da der Kampf gegen Gentechnik, sie kritisiert die etablierte Agrarpolitik und tritt für biologische Landwirtschaft ein. Mit Kritik an Mandelmilch löst Wiener Anfang des Jahres einen Shitstorm aus. Sie setzt sich auch für Flüchtlinge ein und ist eine der Erstunterzeichnerinnen eines Appells gegen Prostitution.

Das persönliche Risiko der Kandidatur bei der Europawahl ist überschaubar. Setzt es eine Niederlage, folgt wohl nur der Rückzug ins Kerngeschäft, die Gastronomie. Und mit negativen Kommentaren kann jemand, der so oft in der (medialen) Öffentlichkeit steht – Stichwort Mandelmilch –, umgehen. Sportlich betrachtet hat die Wahl-Berlinerin auch gelernt, sich zur Wehr zu setzen. Das bestätigen die Urkunden als Berliner Stadtmeisterin im Vollkontakt-Taekwondo – selbst wenn das schon eine Weile her ist. (Peter Mayr, 17.2.2019)