Innenminister Kickl will für "gefährliche Asylwerber" Präventivhaft. Einfache Antworten sind auch hier nicht angebracht.

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Es gebe keine Zweifel, dass man ihn laut EU-Recht hätte inhaftieren können, sagt Europarechtler Walter Obwexer. Man hätte ihn sicher nicht einsperren dürfen, sagt Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Wir Juristen sind in der öffentlichen Diskussion um straffällige Asylwerber vor allem mit eher widersprüchlichen Aussagen in Schwarz oder Weiß aufgefallen. Mangels Einblicks in den Akt zur tödlichen Messerattacke in Dornbirn lässt sich ein abschließendes Urteil allerdings nicht ziehen. Mittlerweile ist die Debatte um eine Facette reicher: Innenminister Herbert Kickl fordert die Einführung fremdenrechtlicher Präventivhaft. Ein weiterer Anlass für eine prinzipielle Auseinandersetzung mit dem Asyl- und Fremdenrecht in Österreich.

Tatsächlich ermöglicht das sekundäre Unionsrecht, dass Mitgliedsstaaten auch bei Personen im laufenden Asylverfahren eine Haft aus Gründen der "nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung" vorsehen können. Aus einer grund- und menschenrechtlichen Perspektive gilt hingegen, dass Schubhaft in letzter Konsequenz nur zulässig sein kann, um eine beabsichtigte Abschiebung zu sichern.

Widerspricht sich das? Nicht unbedingt, sagt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg und weist in einem Urteil 2016 darauf hin, dass Schubhaft aus Sicherheitsgründen möglich ist, wenn gegen die Person schon vor Asylantragstellung eine Ausweisung ergangen war.

Mindestmaß an Würde

Dass jedoch niemand für ein Ziel – die Abschiebung -, das gar nie eintreten wird, inhaftiert werden darf, ist nur schlüssig. Wir erinnern uns, dass das Innenministerium zu den tragischen Ereignissen in der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn dargelegt hatte, in diesem Fall wäre eine Abschiebung nicht möglich gewesen. Eine solche Prognose am Anfang eines Verfahrens aufzustellen und damit die Schubhaft von vornherein auszuschließen ist in der österreichischen Behördenpraxis tendenziell ungewöhnlich. Doch hier soll es ja allein um das Prinzip gehen.

Wie kann es aber sein, dass eine Person, die aufgrund der Schwere der von ihr begangenen Straftaten keinen Schutzstatus in Österreich erhält, nicht auch abgeschoben werden kann? Nun, es mag beispielsweise ein beträchtliches Risiko bestehen, dass sie bei Rückkehr in den Herkunftsstaat gefoltert würde. Das absolute Folterverbot gewährleistet ein Mindestmaß an Menschenwürde. Dabei ist völlig unerheblich, was die betroffene Person getan oder welchen rechtlichen Status sie hat. "Wenn ein Staat, um zu überleben, auf Folterkammern gebaut sein muss, dann sollte dieser Staat untergehen (...), so wie Nazideutschland untergegangen ist", so die drastische Formulierung des Delegierten des Vereinigten Königreichs im Jahr 1949 im Zuge der Aushandlung des Folterverbots in der Menschenrechtskonvention.

Wenn wir diese Überzeugung nicht mehr teilen, dann sollten wir darüber reden. Wenn wir aber meinen, dass alle Menschen menschlich behandelt werden sollten, dann bleibt auch mancher Mörder erst mal in Österreich, wo für Straftäter das Strafrecht gilt.

Präventive Haft?

Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Innenminister nun eine Verfassungsänderung vorgeschlagen, um eine "Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber" außerhalb des Schub-haftregimes zu ermöglichen. Wiederum, eine klare rechtliche Einordnung ist mangels veröffentlichter Details nicht möglich. Dass der Vorschlag aber nicht nur rein österreichisches Recht betrifft, sondern auch Fragen zur Vereinbarkeit mit der Menschenrechtskonvention aufwerfen wird, ist nicht schwer vorauszusehen.

Dazu ein paar Hinweise: Eine Politik der allgemeinen vorsorglichen Haft gegen eine Gruppe von Personen, die zu Recht oder Unrecht als gefährlich eingestuft wird, ist nach der Konvention unzulässig. Eine Präventivhaft losgelöst von einem Strafverfahren ist nach Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte deswegen nicht prinzipiell ausgeschlossen, wenn zum Beispiel die Gefahr einer konkreten Tatbegehung nachgewiesen werden kann und der Zugang zu einem Richter innerhalb von Stunden sichergestellt ist. Darüber hinaus ist aber auch schwer vorstellbar, wie eine Einschränkung nur auf Asylwerber sachlich gerechtfertigt werden könnte.

Einfache rechtliche Antworten sind in dieser Debatte also nicht angebracht. Insgesamt fällt das Asyl- und Fremdenrecht ja ohnehin nicht durch besondere Simplizität auf. Dass sich auch etliche Juristen in den vergangenen Tagen in ihren öffentlichen Aussagen zum Thema diametral widersprochen haben, ist zum Teil eben dieser Tatsache geschuldet.

Mehr Zurückhaltung

Gleichzeitig sind die Widersprüche aber auch ein Hinweis auf vorschnelle Urteile in einem Diskurs, der auf Basis weniger Informationen nach eindeutigen Antworten in Schwarz oder Weiß verlangt und keinen Platz für Ambiguität lässt.

"Ich habe mich für eine qualifizierte Aussage zu wenig damit befasst", schreibt der Völkerrechtler Ralph Janik auf die Frage von Armin Wolf auf Twitter, wie die Sichtweise des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs zur deutschen Maut zu bewerten sei. "Wir sind auf Twitter, Janik", erinnert ihn Rudi Fußi halb im Scherz. Der Debatte um das Asyl- und Fremdenrecht, die in den vergangenen Tagen und Wochen um sich gegriffen hat, hätte eine solche Zurückhaltung hie und da jedenfalls nicht geschadet. Oder der einfache Satz: "Ich kenne den Akt nicht." (Adel-Naim Reyhani, 18.2.2019)