Für die Arbeit am Tatort kommen immer öfter moderne Technologien zum Einsatz.

Foto: Imago / Sascha Ditscher

In der detektivischen Literatur ist die Sache verblüffend einfach: Ein genialer Kopf wie Sherlock Holmes braucht lediglich einen kurzen Blick auf den Tatort eines Verbrechens zu werfen. Er kann dann nicht nur den Tathergang minutiös erklären, sondern oft auch gleich den Mörder benennen.

In der Realität ist die Arbeit am Tatort weniger von intuitiver Eingebung als von akribischer Spurensuche, -sicherung und -dokumentation geprägt. Dabei kommen immer öfter moderne Technologien zum Einsatz.

"In der gesamten Forensik sind in den vergangenen Jahren verstärkt 3D-Technologien präsent geworden", sagt Alexander Bornik, Forscher am Ludwig-Boltzmann-Institut für Klinisch-Forensische Bildgebung in Graz.

"In der Tatortortarbeit dienen dreidimensionale Modelle dazu, ein vollständigeres Bild der Situation zu konservieren, als das mit Fotos und händischen Skizzen möglich ist." In Ländern wie Großbritannien, der Schweiz oder den Niederlanden ist die 3D-Modellierung von Tatorten seit den 1990er-Jahren üblich und heute Routine.

Chaos am Tatort

Österreich hinkt im internationalen Vergleich hinterher, bedauert Bornik. Erstmals wurde die Technik hierzulande im "Fall Fritzl" eingesetzt (ein Mann hatte seine Tochter über mehr als zwei Jahrzehnte im Keller eingesperrt und missbraucht). Das liegt in erster Linie daran, dass die eingesetzten Rotationslaserscanner, mit denen Räume aufgenommen werden, rund 100.000 Euro kosten.

Hinzu kommt, dass die Geräte für den Tagebau und archäologische Anwendungen entwickelt wurden. "Diese Geräte sind sehr gut dafür geeignet, die Umgebung im freien Raum, wo es keine Hindernisse gibt, zu erfassen", erklärt Bornik. "Aber an einem Tatort herrscht oft Chaos, es liegt Mobiliar herum. Da muss man mehrere Aufnahmen machen und diese dann zu einem Modell zusammenfügen." Dafür benötigt man geschulte Experten.

In Österreich dürfen allerdings nur Ermittler und Sachverständige einen Tatort betreten. Beide Berufsgruppen verfügen meist nicht über eine Ausbildung am Laserscanner.

Einfache Bedienbarkeit

Bornik hat deshalb in dem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG mit 300.000 Euro geförderten Projekt "CSISmartScan3D" ein Scansystem entwickelt, das vor allem auf einfache Bedienbarkeit und hilfreiche Funktionalität bei der Tatortarbeit setzt. Dabei kommen statt teurer Scanner kostengünstige 3D-Sensoren zum Einsatz, die in Computerspielen zur Bewegungssteuerung verwendet werden.

Diese verfügen zwar nur über eine vergleichsweise geringe Auflösung und bieten deshalb nur eingeschränkte Detailgenauigkeit. Aber dafür können sie bis zu 60 dreidimensionale Bilder pro Sekunde aufnehmen. "Unser Ziel war ein System, das ein grobes Modell erstellt, in dem man sich orientieren kann und grobe räumliche Zusammenhänge gut erkennt", sagt Bornik. "Im Gegenzug für die geringere Auflösung erhält man sofort ein Feedback, ob die Aufnahme vollständig war oder man weitere Aufnahmen machen muss. Schließlich wird ein Tatort nach der Arbeit gereinigt, und man kann später nicht einfach wiederkommen und das Modell nachbessern."

Ein weiteres zentrales Feature des Grazer Systems: Ermittler können das Modell bereits am Tatort mit Informationen befüllen. So lassen sich Objekte mit Text oder Sprachaufnahmen verknüpfen oder um hochaufgelöste Fotos ergänzen.

Scannen per Tablet

Das System selbst besteht aus einem mobilen Tablet, an dem der Sensor montiert ist. Die Recheneinheit ist ein PC mit Hochleistungsgrafikkarte, der als Rucksack getragen wird. Der Anwender bewegt sich durch den Raum und nimmt per Tablet die Umgebung auf.

Um die einzelnen Tiefenbilder zu einem möglichst exakten 3D-Modell zu fusionieren, muss die Software permanent die relativen Bewegungsänderungen des Sensors berechnen. Falls jemand unbeabsichtigt durch das Bild läuft, kann die Software den "Fremdkörper" herausrechnen.

Ungenauigkeiten sind bei der Anwendung mobiler Scanner unvermeidbar. Je größer die zu modellierende Umgebung, desto größer der Drift zwischen Realität und Modell. Im Fall des Systems der steirischen Forensikforscher liegt die Ungenauigkeit des fertigen Modells – bei üblichen Raumgrößen – im Bereich weniger Zentimeter.

Das reicht aus, um die räumlichen Relationen von Objekten zu dokumentieren. Zudem steigt die Leistungsfähigkeit von 3D-Sensoren laufend. Mit jeder neuen Hardwaregeneration lässt sich eine höhere Detailschärfe erreichen.

Kombinierte Technik

Die Zukunft der Tatortarbeit sieht Bornik ohnehin in einer Kombination mehrerer 3D-Technologien: "Man könnte einen Erstscan mit einem Rotationslaserscanner durchführen, der ein unvollständiges, aber hochgenaues Modell liefert", meint er. "Verdeckte Bereiche kann man dann mit einem mobilen Gerät wie unserem aufzeichnen. Für die genaue Aufnahme von Detailspuren wie Blut oder Flüssigkeiten könnten zusätzlich Spezialscanner zum Einsatz kommen."

Am 25. Februar wird Bornik die Ergebnisse seiner Forschung bei einem vom Wissenschaftsministerium veranstalteten "Science Talk" in der Akademie der Wissenschaften vorstellen. Thema der Veranstaltung: "Die Wissenschaft im Dienst der Verbrechensaufklärung". (Raimund Lang, 26.2.2019)