Die österreichische Neutralität ist eine schwierige Angelegenheit. Sie wird regelmäßig von politisch links bis rechts beschworen, realpolitisch aber ignoriert – ist Österreich doch klarerweise Mitglied der EU und Teilnehmer an Nato-Übungen. Wenn es denn passt, wird die Neutralität aber aus der Mottenkiste geholt, um etwa als "Brückenbauer" zu Wladimir Putins Russland zu agieren. Historisch ließen sich auch Parallelen zu Bruno Kreiskys Beziehung zur PLO unter Yassir Arafat ziehen.

In der Schattenwelt der Spionage wird der Eiertanz um Österreichs internationale Position noch klarer erkennbar. Gut ist etwa der Skandal rund um die Wiener Kurdenmorde in den 1980er-Jahren in Erinnerung, als die Polizei die iranischen Attentäter von der Botschaft zum Flughafen Wien-Schwechat eskortierte. Das geheimdienstliche Motto blieb bis heute dasselbe: nur nicht zu viel anstreifen und keinen Wirbel machen.

Das zeigen die Recherchen des STANDARD zu nordkoreanischen Aktivitäten in Wien. Es ist erstaunlich, wie offen der Tyrannenstaat in Österreich agieren kann. Dabei weiß der Verfassungsschutz viel über Nordkoreas einzelne Aktionen: etwa dass die Herrscherfamilie Kim Vermögenswerte in Österreich besitzt und sich Luxusgüter aus Wien besorgen lässt. Auch die fragwürdige Rolle der Golden Star Bank, der einzigen Filiale der nordkoreanischen Bank in Europa, war lange Zeit bekannt. Dass dort Geld gewaschen und Atomwaffengeschäfte eingefädelt wurden, war offenbar egal. Erst auf Druck der USA schloss die Bank 2004 ihre Pforten.

Abhörziele in Österreich

Auch der Verkauf von 190.000 Passrohlingen durch die Staatsdruckerei an Nordkorea ist bemerkenswert. Das Unternehmen ist zwar privatisiert, aber das Geschäft wurde zu einer Zeit eingefädelt, als Nordkorea international noch mehr unter Druck stand. Aber wenn das Geld stimmt, wird die Neutralität flexibel ausgelegt. Dasselbe Muster zeigt sich in der Rüstungsbranche, wo österreichische Hersteller aktiv an Konfliktparteien lieferten.

Österreich ist allerdings nicht nur stiller Beobachter. Vielmehr werden die Erkenntnisse über Nordkorea oder andere in Wien hochaktive Tyrannenstaaten sehr wohl mit westlichen Geheimdiensten geteilt. So führte der Verfassungsschutz gemeinsam mit dem französischen Geheimdienst eine Operation durch, bei der Botschaftsmitarbeiter rekrutiert werden sollten.

Dieses Agieren führt zwar zu einer relativ guten Informationslage, hat aber den Nachteil, dass niemand den Österreichern hundertprozentig vertraut. So ist bekannt, dass die US-Dienste Österreich abhören, obwohl das Heeresnachrichtenamt eng mit der NSA kooperieren soll. Auch der deutsche BND hat hunderte Abhörziele in Österreich, wie DER STANDARD enthüllte – obwohl die deutschen Dienste die engsten Partner sein sollten. Die Reaktion auf die Abhöraktionen fielen verhalten aus. Man erinnere sich: nur keinen Wirbel machen.

Die geplante Reform des Verfassungsschutzes wäre ein guter Zeitpunkt, um offen über die Rolle Österreichs in der internationalen Sicherheitsarchitektur zu diskutieren. Angesichts einer engeren Integration in Europa ist es nötig, die entscheidende Frage zu klären: Gehören wir zum Westen und kooperieren eng mit Frankreich, Deutschland und anderen EU-Partnern – oder versuchen wir weiterhin, es allen recht zu machen? Wer bloß nirgendwo anstreifen will, macht es am Ende keinem recht. (Fabian Schmid, 19.2.2019)