Kreml-Chef Wladimir Putin sprach in seiner Rede nicht nur über Außenpolitik. Vor allem der internationale Teil aber hatte es in sich.

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Moskau – Er werde sich in erster Linie auf innenpolitische und soziale Probleme fokussieren, versprach Wladimir Putin zu Beginn seiner Rede zur Lage der Nation – und hielt Wort. Der Großteil der Ansprache war tatsächlich den drängenden Problemen der Russen gewidmet. Renten und Kindergeld, Schule und Ausbildung, Müllreform, Infrastrukturprojekte und Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums fasste der russische Präsident in einer Stunde Redezeit (seines insgesamt eineinhalbstündigen Auftritts) zusammen.

Russlands Präsident Putin hat in seiner Rede an die Nation angekündigt, dass Russland neue Waffen bauen und die Raketen würden die USA ins Visier nehmen wird.
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19 Millionen Russen lebten unterhalb der Armutsgrenze. "Das ist zu viel", daher müssten die Bürger umgehend Verbesserungen beim LebensStandard erfahren, forderte er von der Regierung. Unter anderem sollen dazu die Renten zumindest auf die Höhe des Mindesteinkommens angehoben und dann entsprechend der Inflation jährlich angepasst werden, so Putin. Die Rente ist ein wichtiges, für den Kreml aber zuletzt toxisches Thema. Die Anhebung des Rentenalters, die Putin kurz nach seiner Wiederwahl ohne vorherige Ankündigung durchsetzte, hat ihn massiv an Rückhalt in der Bevölkerung gekostet.

Die Agenda seiner Rede war daher vorgezeichnet. Worte über Steuermanöver, Hypotheken, den nötigen technischen Durchbruch und die Verantwortung von Beamten riefen aber beim Großteil der rund 1.000 Zuhörer im Saal wenig Begeisterung hervor, auch wenn die russischen Nachrichtenagenturen eifrig vermerkten, dass die Rede "nicht weniger als 33-mal von Applaus unterbrochen wurde".

Leidenschaft Außenpolitik

Leuchtend wurden die Augen der Abgeordneten erst, als Putin zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik überging, das fraglos auch das Steckenpferd des Kreml-Chefs ist. Im Vergleich zum Vorjahr, als Putin die Weltöffentlichkeit mit neuen atomaren Hyperschallwaffen aufschreckte, nahm sich der Teil der Rede diesmal relativ bescheiden aus. Ganz umhin zu erzählen, "was wir da auf Vorrat haben", kam Putin aber nicht.

So berichtete er über die neue Rakete Zirkon, die seinen Angaben nach mit einer Geschwindigkeit von Mach 9 fliegt und eine Reichweite von 1000 Kilometern hat. Ausgestattet werden sollen damit Kriegsschiffe, aber auch U-Boote. Zudem soll bereits in diesem Frühjahr die atomwaffenfähige Unterwasserdrohne Poseidon zu Wasser gelassen werden.

Wichtigster Adressat seiner Botschaft war zweifellos das Weiße Haus. Mit scharfer Kritik reagierte Putin auf die jüngste Aussetzung des INF-Vertrags: Die Vorwürfe gegen Russland seien ein "erdachter Vorwand", sagte er. Tatsächlich sei der Vertrag womöglich nicht mehr zeitgemäß, da andere Staaten – im Gegensatz zu Russland und den USA – ihre Waffensysteme im Bereich der Mittelstreckenraketen weiterentwickelt hätten. Doch dürften die USA nicht Russland vorschieben, um den Vertrag zu kündigen, da Washington selbst seit Jahren gegen das Abkommen verstoße, so Putin.

Der Kreml-Chef bezog sich dabei explizit auf die von den USA als Teil des Raketenschilds installierten Raketenabwehrsysteme in Rumänien und Polen, die seinen Angaben nach Mittelstreckenraketen verschießen können. Sollten Mittelstreckenraketen tatsächlich in Europa stationiert werden, werde Russland darauf reagieren müssen. Die russischen Raketen seien dann nicht nur in der Lage, Ziele in den Ländern zu treffen, in denen die Abschussrampen stehen, sondern auch "Ziele in dem Land, in dem die Entscheidungen getroffen werden", drohte Putin den USA.

Für die Europäer hatte Putin derweil nur den Begriff "nachgrunzende Satelliten" der USA übrig. Trotzdem versicherte er, dass Russland weiterhin an Abrüstungsabkommen interessiert sei. Nur werde Moskau nicht mehr "gegen verschlossene Türen schlagen", sondern auf Initiativen der Gegenseite warten, sagte er. (André Ballin aus Moskau, 20.2.2019)