Wenn Österreichs Bundeskanzler die Erhöhung der Verteidigungsbudgets der Nato-Länder als Verdienst der – höflich gesagt: "disruptiven" – Außenpolitik Donald Trumps sieht, dann kann er dem US-Präsidenten auch folgenden Erfolg nicht absprechen, wenngleich er ihm weniger gefallen dürfte: Trump zwingt soeben die europäischen Staaten dazu, sich damit auseinanderzusetzen, was mit jenen ihrer Staatsbürger und -bürgerinnen geschehen soll, die in den Jihad nach Syrien und in den Irak gezogen sind und diesen überlebt haben. Lange wollten die Herkunftsländer von dieser Frage nichts wissen – deren Lösung ein kleiner, aber sehr wichtiger Teil einer Strategie sein wird, wie ein Wiederaufkommen des "Islamischen Staats" (IS) verhindert werden kann.

Wer meint, der beste Schutz sei, das Problem – diese Menschen – einfach auszulagern, der ignoriert die Komplexität des Phänomens IS, den es auch ohne Territorium noch gibt. Es ist natürlich nicht hilfreich, dass die von den syrisch-kurdischen YPG-Milizen inhaftierten IS-Kämpfer und ihre Familien – alle, nicht nur die Ausländer – zum Faustpfand in einer ganz anderen Auseinandersetzung geworden sind: Für die bisher von den USA unterstützten Kurden sind sie eine Art Versicherung, nicht einfach so fallengelassen und einem türkischen Angriff ausgeliefert zu werden, wie es nach Trumps Ankündigung eines "sofortigen" US-Abzugs aus Syrien aussah.

Konsens unwahrscheinlich

Auch die Forderung der syrischen Kurden, ein UN-Sondertribunal für IS-Angehörige in Nordsyrien zu errichten, passt da hinein: Mangels anderer staatlicher Strukturen wäre es erst einmal eine Zementierung der kurdischen Verwaltung, die weiter unterstützt werden müsste. Eine Zusammenarbeit eines internationalen Gerichts und des Assad-Regimes – für welches ebenfalls internationale Anklagen im Raum stehen – ist ja undenkbar.

Aber die politischen Konstellationen machen einen Konsens im Uno-Sicherheitsrat, der für die Einrichtung eines solchen Gerichtshofs nötig wäre, ohnehin äußerst unwahrscheinlich. Wobei das "gesunde Volksempfinden" – und damit jenes so mancher europäischer Politiker – sich leicht damit abfinden könnte, wenn auch mit den ausländischen Kämpfern in Syrien und im Irak wortwörtlich kurzer Prozess gemacht würde.

Am Ende des IS-Kalifats, das Trump in absehbarer Zeit verkünden wird, bleiben aber noch viele andere Fragen offen: jene nach dem verschwundenen "Kalifen" Abu Bakr al-Baghdadi, nach den angeblichen Tonnen von Gold und hunderten Millionen Dollar, die der IS bei sich gehabt haben soll. Sie könnten manchen Kämpfern den Weg in die Freiheit verschafft haben, zum Beispiel zurück in den Irak, woher die IS-Führung ja stammt. Und Trumps politisches Talent wird auch eher nicht dazu ausreichen, die Europäer dazu zu überreden, Soldaten nach Syrien zu schicken, die einerseits die Neuentstehung des IS verhindern und andererseits Türken und Kurden auseinanderhalten. (Gudrun Harrer, 20.2.2019)