WU-Professor Michael Meyer, wieder Visiting Scholar in Stanford

John W. Meyer ist emeritierter Professor für Soziologie in Stanford und einer der letzten aktiven Großsoziologen dieser Welt. Der 84-Jährige ist superfit und fährt bei jedem Wetter mit dem Fahrrad zum Campus. Er begründete den Neoinstitutionalismus und schrieb eines der meistzitierten Werke der Organisationssoziologie.

Vor 40 Jahren hat er damit die Rationalität von Organisationen als Mythos und Legitimationsfassade entlarvt: Organisationen müssen nach außen hin so tun, als würden sie vernünftig entscheiden, nur in den seltensten Fällen tun sie das auch.Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Meyer mit vielen anderen an eine Theorie der Weltkultur. Sie sammeln unzählige Daten, die allesamt zeigen, wie sich westliche Rationalität und Organisationsformen in alle Winkel dieser Welt ausbreiten, und wie sich Entscheider zunehmend auf ethische Ziele berufen müssen, um Legitimität zu erhalten. Das erklärt die Verbreitung von Empowerment, Nachhaltigkeit und CSR. Nur mehr hinter vorgehaltener Hand darf ein Topmanager zugeben, dass er nur an Gewinnen interessiert ist und seine Mitarbeiter ausbeutet. Vordergründig muss er die Welt, die Wahrheit oder zumindest die Wale retten.

Das US-Modell

Ganz besonders interessieren sich die Meyer und sein Kollege Francisco Ramirez für die Verbreitung tertiärer Bildung. Das US-amerikanische Modell von Colleges und Forschungsuniversitäten wurde zum Vorbild für die ganze Welt. Dass Unis wie Stanford aber in einer ganz anderen Liga spielen, zeigt ein kleiner Vergleich mit der WU Wien, die auch nicht gerade zu den ärmsten Universitäten dieser Welt zählt.Stanford hat mit 6,3 Mrd. US-Dollar das 40-fache Jahresbudget der WU (und mehr als das gesamte österreichische Wissenschaftsbudget), mit über 2200 Wissenschaftern eine viermal so große Fakultät, aber mit 16.500 nur drei Viertel der Studierenden der WU.

Der Stanford-Campus ist 330-mal größer als jener der WU, ein Gutteil davon ist potenzielles Bauland in einer der teuersten Gegenden dieser Welt. Verglichen mit dem Verkehrswert dieser Immobilien von 132 Mrd. US-Dollar – Tendenz rasant steigend – mutet selbst die stattliche Stanford Endowment von 27 Mrd. USD bescheiden an.

Völlig andere Welt

Die Erträge dieser Endowment liefern ein Fünftel des Stanford-Jahresbudgets, ein weiteres Fünftel stammt aus Drittmittelforschung. Traditionell und wie bei allen US-Top-Universitäten ist das US-Verteidigungsministerium der wichtigste Forschungsfinanzierer. Die Studiengebühren liefern nur 15 Prozent.

Studieneinsteiger zahlen zwar im Jahr 49.000 US-Dollar Studiengebühren, allerdings erhalten 86 Prozent der Studierenden irgendeine finanzielle Unterstützung, die sich in Stanford im Jahr auf knappe 200 Mio. USD beläuft – im Schnitt also 28.000 USD pro Student.21 der insgesamt 30 Nobelpreisträger Stanfords leben noch, diese Zahl entspricht exakt der Gesamtzahl aller österreichischen Nobelpreisträger seit Bertha von Suttner. – Solche Vergleiche zeigen drastisch, in welch anderer Welt sich die großen US-amerikanischen Forschungsuniversitäten bewegen.

Wenn sich österreichische Universitäten mit ihnen messen wollen, mutet das so an, als ob die Patrouillenbootstaffel des österreichischen Bundesheeres der US-Navy den Seekrieg erklärt. Es sind nicht die hohen Studiengebühren, an denen Stanford verdient. Schon eher ist es die Vielzahl potenter Spender, von Hewlett und Packard über Bill Gates bis zu Nike-Gründer Phil Knight, die die Uni über ihre Stiftungen massiv fördern. Knight etwa spendete 105 Mio. USD und machte damit die Stanford Business School zum "Knight Management Center".

150 Millionen US-Dollar

Die bisher größte Einzelspende für die Stanford Universität stammt vom Silicon Valley-Immobilienunternehmer John Arrillaga, der 150 Millionen US-Dollar spendete. Seitdem sind gleich zwölf Gebäude auf dem Campus nach ihm benannt, was die Orientierung erschwert. Während es in Österreich schon organisierten Widerstand der Professoren gibt, wenn Hörsäle nach Sponsoren benannt werden, treibt das Geschäft mit dem symbolischen Kapital hier fröhliche Urstände und führt dazu, dass nahezu alles auf dem Campus nach irgendeinem Spender benannt ist.

Wir reden wohlgemerkt über andere Summen. Würde ein Wiener Immobilien-Tycoon der WU auch nur ein Zehntel der Arrillaga-Summe in Aussicht stellen, würde die Rektorin wohl auf der Stelle in Ohnmacht fallen. Im Unterschied zu den USA sind in Europa private Großspenden an Universitäten unüblich.In den USA hingegen ist seit Leland und Jane Stanford, Andrew Carnegie und John D. Rockefeller, Johns Hopkins und William Randolph Hearst, Cornelius Vanderbilt und Ezra Cornell – also seit dem 19. Jahrhundert – die Gründung und Förderung von Universitäten eine Lieblingsbeschäftigung der Superreichen. Das stieß von jeher auch auf heftige Kritik der Medien und der Politik wegen des befürchteten unkontrollierbaren Einflusses.

Schon Carnegie und Rockefeller wurden nicht als Helden verehrt, sondern als gefährliche Potentaten gefürchtet. Aktuell zählen einige Stanford-Wissenschafter zu den kritischsten Beobachtern der neuen Superphilanthropen der Giving Pledge. Europäische Stiftungen haben mit deutlich weniger Gegenwind zu kämpfen. (Michael Meyer, 22.2.2019)