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Ein plötzlicher Herzstillstand im Leistungssport ist keine Seltenheit.

Foto: Getty Images/Eskemar

Wien – Sami Khedira lief im Abschlusstraining für das Champions-League-Spiel bei Atlético Madrid über den Platz, als sein Herz plötzlich ungewöhnlich zu rasen begann. Umgehend informierte er die Klubärzte von Juventus Turin, die wegen Herzrhythmusstörungen ein Sportverbot verfügten und eine Operation veranlassten. Für den Mittelfeldspieler ist dies der nächste Rückschlag nach mehreren Verletzungen, doch plötzlich ist der Fußball für den ehemaligen Weltmeister zur Nebensache geworden.

Nach einem erfolgreichen Eingriff soll der Mittelfeldspieler innerhalb eines Monats wieder zu trainieren beginnen. Der Vorfall war nicht lebensbedrohlich, die Pause kann als Vorsichtsmaßnahme der Klubführung betrachtet werden – doch er weckte Erinnerungen an plötzlich verstorbene Fußballer der letzten Jahre.

Im März 2018 war der italienische Nationalspieler Davide Astori vom AC Florenz im Alter von 31 Jahren einem plötzlichen Herzstillstand erlegen. 2003 starb Kameruns Nationalspieler Marc-Vivien Foé vor laufenden Kameras an plötzlichem Herzversagen. Der Todeskampf von Antonio Puerta dauerte ganze drei Tage, nachdem der 22-Jährige 2007 bei einem Spiel des FC Sevilla zunächst einen Kollaps erlitten hatte. Nach mehrmaligem Herzstillstand und Organversagen starb der Spanier drei Tage später in einem Krankenhaus.

Das sind nur einige prominente Beispiele der langen Opferliste im Fußball. "Solche Unfälle bei Sportlern häufen sich, und es ist nur ein kleiner Teil, von dem die Öffentlichkeit erfährt. Viele Fußballer in unteren Ligen fallen plötzlich tot um", sagt Ivica Jukic, Kardiologe und langjähriger Sportmediziner aus Wien.

Grenzen werden überschritten

Oft sind an plötzlichen Zusammenbrüchen Kammerflimmern oder eine andere Herzrhythmusstörung schuld. Der Herzmuskel zieht sich nicht mehr synchron zusammen, der Blutkreislauf versagt. Das Gehirn wird nicht mehr ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt, innerhalb kürzester Zeit kommt es zur Bewusstlosigkeit, ohne sofortige Gegenmaßnahmen tritt rasch der Tod ein.

Der plötzliche Herztod kann jeden treffen, bei Leistungssportlern sei es laut Jukic jedoch häufiger der Fall – weil sie über die Grenzen gehen, zu wenig regenerieren und kaum Grundlagenausdauer trainieren würden. Die Folgeschäden von jahrelangem Profisport seien enorm. "Im Fußball wird nur auf Intensität trainiert, dann sind die armen Leute mit 40 oder 45 Jahren schwerkrank, auch wenn sie nicht tot umfallen", weiß der Mediziner.

Warnsignale werden missachtet

Profisportler werden rund um die Uhr medizinisch betreut, es stellt sich die Frage, wie es dennoch immer wieder zu solch tragischen Fällen kommen kann. "Die Klubs haben keine ausreichende sportmedizinische Betreuung. Es werden Kardiologen benötigt, die eine Herzschwäche mit den richtigen Untersuchungen früh erkennen können", sagt Jukic.

Erkältungen werden oft auf die leichte Schulter genommen, es wird in gleicher Intensität weitertrainiert. Die Jungen sind da besonders betroffen, weil gerade sie nicht ausreichend medizinisch betreut werden und nicht auf Warnsignale ihres Körpers hören. Herzmuskelentzündungen können die Folge sein. "Wenn man daraufhin keine sechs Monate Trainingsverbot erteilt, damit das Herz eine Chance zur Regeneration hat, dann fliegt der Sportler am Feld tot um. Es wird eindeutig zu wenig kontrolliert."

Profikicker mit Defibrillator

Auch der Kölner Daniel Engelbrecht soll eine Erkältung verschleppt haben. Bei einem Drittligaspiel brach er 2013 ohne Fremdeinwirkung zusammen. Bei ihm wurden Herzrhythmusstörungen und eine Herzmuskelentzündung festgestellt. Dennoch setzte der Profi seine Karriere fort. Engelbrecht wurde der erste deutsche Profifußballer, der mit einem eingepflanzten Defibrillator spielte.

Dreimal bewahrt dieser eingebaute Lebensretter den Spieler vor dem Tod. Nach mehreren Rückschlägen entschloss er sich zum Karriereende. Der ehemalige Stürmer setzt sich nun dafür ein, dass sich die Öffentlichkeit stärker mit den Gründen für Herzerkrankungen im Fußball beschäftigt. Nur so könne ein Umdenken einsetzen. Er fordert wie Jukic, dass die Herzen der Spieler häufiger untersucht werden.

Ob sich ein Sportler nach einem derartigen Unfall wieder hundertprozentig erholen kann, ist abhängig von der jeweiligen Genesung und sollte erst nach einer gründlichen Untersuchung entschieden werden. Jukic zeigt sich über die Zustände im heimischen Fußball besorgt, weil in der Regel nur ein Herz-EKG als Untersuchung durchgeführt wird – und dieses auch nur einmalig bei Vertragsunterzeichnungen.

Mittelweg finden

"Die Kontrollen sind in den letzten Jahren, seitdem sich die Todesfälle gehäuft haben, besser geworden, aber es ist noch bei weitem nicht ausreichend. Regelmäßige Herzuntersuchungen während der Saison gibt es nicht, weil das nicht vorgeschrieben ist." Jukic betreute in den letzten 20 Jahren als Sportmediziner viele Kinder: "Bei Belastung von 120 Watt haben manche Blutdruckwerte von 300. Das ist der Horror!"

Zwar kann das Risiko für einen plötzlichen Herztod während der sportlichen Belastung in der Tat ansteigen, allerdings übertrifft der schützende Effekt durch regelmäßigen Sport deutlich die Gefahr, während der körperlichen Belastung einen plötzlichen Herztod zu erleiden.

Am schädlichsten für die Herzgesundheit ist es jedoch immer noch, sich gar nicht zu rühren. Auf der Couch lebt es sich eindeutig gefährlicher als auf dem Trainingsplatz. Anders kann es allerdings aussehen, wenn Menschen exzessiv Sport treiben. Dann kann das Herz anfällig werden, weil die Herzkranzgefäße zu klein sind, um seine große Masse noch ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen: "Der menschliche Körper ist nicht dafür geschaffen!" (Nedim Osmanovic, 21.2.2019)