Es klingt natürlich verlockend: Herrscht irgendwo Not und profitieren Menschen auf Kosten anderer – dann greift Vater Staat ein und sorgt für Gerechtigkeit. So gesehen müsste man in Berlin sehr viel mehr Vermieter enteignen als nur jene großen Börsennotierten, die die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" im Blick hat.

Lange galt die deutsche Hauptstadt, in der 85 Prozent der Menschen in Mietwohnungen leben, als Insel der Seligen. Während anderswo die Preise in astronomische Höhen kletterten, blieb Wohnraum in Berlin bezahlbar. Doch diese schönen Zeiten sind vorbei, die wachsende Stadt (40.000 Einwohner mehr pro Jahr) platzt aus allen Nähten. Das wirkt sich auf die Preise aus. Die Kampagne zur Enteignung fällt also auf fruchtbaren Boden.

Vor der Umsetzung allerdings kann man nur warnen. Ein solcher Schritt wäre ein fundamentaler Bruch mit dem politischen System, er würde nicht nur das Vertrauen von Investoren erschüttern. Abgesehen davon: Das hoch verschuldete Berlin ("arm, aber sexy") könnte die angestrebte "Vergesellschaftung" gar nicht bezahlen und bekäme nicht das, was dringend benötigt wird: zusätzlichen Wohnraum.

Die Politik muss sich also etwas anderes einfallen lassen, Maßnahmen gibt es genug. Und dennoch kann man der Initiative, die enteignen möchte, dankbar sein. Sie macht Druck, indem sie den Finger in eine große Wunde legt, die mittlerweile unzählige Menschen in Berlin schmerzt. (Birgit Baumann, 22.2.2019)