Jeremy Corbyn schafft es derzeit nicht, die Turbulenzen der britischen Sozialdemokraten zu stoppen.

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London – Die oppositonelle britische Labour-Partei muss einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Nach dem Parteiaustritt von sieben Abgeordneten Anfang der Woche und dem Abschied eines weiteren Mandatars am Mittwoch ist den Sozialdemokraten am Freitag ein neunter Volksvertreter abhandengekommen. Ian Austin, seit 2005 für den Wahlkreis Dudley North im Unterhaus, hat seinen Abschied aus der Partei bekanntgeben. Labour-Chef Jeremy Corbyn habe die linke Fraktion in einem kaputten Zustand zurückgelassen, teilte er mit.

Die anderen acht Abgeordneten hatten sich nach ihrem Abschied aus der Partei lose zu einer Gruppe der Unabhängigen im britischen Parlament zusammengeschlossen. Sie hatten Unzufriedenheit mit dem Kurs Corbyns in Sachen Brexit, vor allem aber latenten Antisemitismus in der Partei als Grund für ihren Austritt angegeben.

Auch Austin sprach in seinen Abschiedsworten den ungenügenden Kampf der Partei gegen den Antisemitismus in den eigenen Reihen an. Ob er sich der Gruppe der Unabhängigen anschließen werde, ließ er aber offen. Er habe derzeit "keine derartigen Pläne", sagte er. "Diese Schritt ist für mich die härteste Entscheidung, die ich je treffen musste, denn die Labour-Partei war mein Leben. Aber wenn ich ehrlich bin: Die Wahrheit ist, dass ich mich für Labour unter Jeremy Corbyn schämen muss".

Auch Chaos bei Konservativen

Die Debatte hat der Labour-Partei schon bisher massiv geschadet. Vor dem jüngsten Chaos hatten Umfragen sie in etwa gleichauf mit den Konservativen von Premierministerin Theresa May gesehen. Mittlerweile werden der Partei bis zu zehn Punkte Rückstand ausgewiesen.

Dies wiegt umso schwerer, als wegen des Brexits auch die Konservativen in schwerer See unterwegs sind. Drei Abgeordnete hatten die Regierungspartei in der vergangenen Woche aus Protest gegen den Kurs Mays verlassen. Sie fordern, den Austritt Großbritanniens aus der EU neu zu überdenken – und in jedem Fall einen "Chaos-Brexit" zu vermeiden. May steht zudem unter Druck aus dem eigenen Kabinett. Mehrere Minister sollen ihr mit Rücktritt gedroht haben, sollte sie einen solchen ungeregelten Austritt aus der Union nicht ehebaldigst ausschließen. (Manuel Escher, 22.2.2019)