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Zwei Außenseiter und die feine Balance zwischen Melancholie und Witz: Lee Israel (Melissa McCarthy) und der einem Drink nicht abgeneigte Jack (Richard E. Grant) machen gemeinsame Sache.

Foto: AP / Mary Cybulski

Ein paar Worte zum Schluss können viel ändern. Erst recht in einem Brief. Der New Yorker Autorin Lee Israel eröffnet ein witziges Postskriptum, das sie einem historischen Brief der Entertainerin Fanny Brice heimlich hinzufügt, den Ausweg aus ihrer prekären Lage. Das von ihr ausgeschmückte Schriftstück erzielt beim Notverkauf in einem Antiquariat einen deutlich höheren Preis als zuvor ein authentisches. "Unschätzbar", urteilt die Buchhändlerin, die beklagt, dass die ihr üblicherweise angebotenen Briefe die Intimität eines Telefonbuchs verströmen.

Kurze kriminelle Karriere

Insgesamt 400 gefälschte Briefe von verstorbenen Prominenten soll Israel im Laufe ihrer kurzen kriminellen Karriere gegen Geld in Umlauf gebracht haben. Can You Ever Forgive Me? lautet der Titel, unter dem die US-Regisseurin Marielle Heller die gleichnamigen Memoiren Israels verfilmt hat. Mit einer großartigen Melissa McCarthy in der Hauptrolle bringt sie uns die 2014 im Alter von 75 Jahren verstorbene Autorin als jemanden näher, der erst im Verschwinden hinter anderen Persönlichkeiten ganz zu sich kommt.

Der Film setzt an einem Tiefpunkt ein. Zwar hat Israel einige leidlich erfolgreiche Biografien verfasst, an ihrem jüngsten Projekt herrscht aber keinerlei Interesse. Nichts Neues, nicht sexy, urteilt ihre Agentin. Dass die 51-jährige Autorin nicht bereit ist, sich an soziale Spielregeln zu halten, steht einer traditionellen Autorenkarriere zusätzlich im Weg.

Zu Recht für Oscar nominiert

Zumindest den Vorwurf ihrer Agentin, dass sie als Person zu wenig bekannt sei, zu sehr hinter ihren Texten verschwinde, versteht sie schließlich in einen Vorteil für sich umzumünzen. Ihre sozialen Defizite spielen bei der Einfühlung in die verstorbenen Briefautoren keine Rolle.

McCarthy, völlig zu Recht für einen Oscar nominiert, vermittelt auf berührende Weise, was es heißt, nicht aus der eigenen Haut zu können. Immer wieder blitzt in ihrer Darstellung der soziopathischen Autorin schüchterne Freude über zaghafte Annäherungen an andere Menschen auf – um dann doch wieder einem Zwang zur Distanz zu erliegen. Während eine lesbische Beziehung gescheitert ist, erweist sich ein anderer Außenseiter als zeitweiliger Gefährte: Mit dem schwulen Lebenskünstler Jack Hock, famos verkörpert vom ebenfalls für einen Oscar nominierten Richard E. Grant, teilt sie ihren galligen Humor.

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Die beste Zeit des Lebens

Marielle Heller, die schon mit ihrem Regiedebüt The Diary of a Teenage Girl (2015) beeindruckte, schafft es in Can You Ever Forgive Me?, durchgehend eine feine Balance aus Melancholie und sardonischem Witz zu halten. Ihr Film verströmt Wärme, ohne jemals auch nur in die Nähe klebriger Sentimentalität zu kommen.

Der Hochmut kommt auch in dieser Geschichte vor dem Fall. Als sich Israel im Weiterspinnen der Eigenheiten von Persönlichkeiten immer sicherer fühlt, ihren Witz immer mehr zuspitzt, wird sie unvorsichtig. Wenn sie über eine berühmte US-Schriftstellerin sagt: "Ich bin mehr Dorothy Parker als Dorothy Parker", dauert es nicht mehr lange, bis ihr die Behörden auf die Schliche kommen.

Ins Schema der reuigen Sünderin passt sie auch dann nicht. Ihr Plädoyer vor dem Gericht ist so unkonventionell wie berührend und liefert nebenbei eine kluge Reflexion über literarische Arbeit. Es ist getragen vom Eingeständnis von Ängsten und Defiziten, aber auch von Stolz und dem Wissen, die vielleicht beste Zeit ihres Lebens mit Fälschungen verbracht zu haben. Die Frage, die sie später in ihren Memoiren stellt, "Can you ever forgive me?", ist dank Hellers Film leicht zu beantworten. (Karl Gedlicka, 23.2.2019)