Nicht nur in Kroatien protestierten im vergangenen Jahr etliche Menschen gegen die Ratifizierung eines Europarat-Übereinkommens, das die Bekämpfung von häuslicher Gewalt zum Ziel hatte.

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In der Kirche Neu-Sankt-Spyridon, dem größten orthodoxen Gotteshaus in Bukarest, wandte sich der Priester mit einer wichtigen Botschaft an seine Gemeinde. "Das ist einer jener Momente in der Geschichte, in denen sich offenbart, wer ein wahrer Christ ist", erklärte er, während Kinder auf dem Boden vor dem Altar spielten. "Wer sich für einen Christen hält, muss heute seine Stimme erheben." An jenem Sonntag im Oktober sollte in einem Referendum über eine Änderung der rumänischen Verfassung entschieden werden, um die Ehe als eine Institution zu definieren, die ausschließlich heterosexuellen Paaren vorbehalten ist. Priester im ganzen Land mobilisierten ihre Gläubigen.

Vor einem Wahllokal im Zentrum von Bukarest waren einige dem Aufruf gefolgt. Madalin Costache, Vater zweier Kinder, erklärte, er habe abgestimmt, um seine Kinder zu schützen. "Wenn homosexuelle Menschen Kinder adoptieren, dann werden diese in dem Glauben aufwachsen, dass schwul sein normal sei. Gott hat das nicht so gewollt."

Letztendlich lag die Wahlbeteiligung deutlich unter den gesetzlich vorgeschriebenen 30 Prozent. Das Referendum war erfolglos. Die Kampagne förderte jedoch Bruchlinien zutage, die sich quer durch die rumänische Gesellschaft ziehen. Diese entstanden seit 2016 schleichend, als eine kaum bekannte Allianz namens "Koalition für die Familie" drei Millionen Unterschriften für den Volksentscheid sammelte.

Koalition gegen Homoehe

Die Koalition besteht aus mehr als 40 lokalen Vereinen und versteht sich als Organisation zum Schutz traditioneller Werte. Sie wirbt mit Volkstrachten und den rumänischen Flaggenfarben Blau, Gelb und Rot. Sie ist jedoch keineswegs nur eine lokale Initiative, sondern Teil einer globalen ultrakonservativen Bewegung, die laut Experten nicht nur die Homoehe stoppen will. Die Themen reichen von eingetragenen Partnerschaften über Abtreibung und medizinisch unterstützte Fortpflanzung bis hin zum Aufklärungsunterricht an Schulen: In vielen Bereichen drängt die Bewegung darauf, Gesetze zu ändern, die die sogenannte "natürliche Familie" ihrer Ansicht nach untergraben.

Inspiration und Expertise holt sich die Bewegung zum Großteil von evangelikalen Gruppen aus den USA. Und immer mehr illiberale Populisten in Europa springen auf den Zug auf. Mit Appellen an die "natürliche Familie" gewinnen sie Stimmen. Die Koalition ist nicht die Einzige, die ein Schreckgespenst der Gender-Ideologie heraufbeschwört. Zwischen 2012 und 2015 wurden in Kroatien, Slowenien und der Slowakei Referenden mit dem Ziel initiiert, die Ehe ausschließlich als Bund zwischen Mann und Frau in der Verfassung zu verankern.

In Kroatien war man damit erfolgreich. In Slowenien wurde die Homoehe im Zuge einer Volksabstimmung abgelehnt, bevor sie später von der Politik legalisiert wurde. In der Slowakei erreichte die Wahlbeteiligung nicht die erforderlichen 50 Prozent. Dieses Jahr weigerte sich Bulgarien, ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung häuslicher Gewalt zu ratifizieren. Konservative Kreise befürchteten, dass die darin enthaltene Definition von "Gender" die Grenze zwischen den Geschlechtern relativiere.

Zeitgleiche Initiativen

Es sei kein Zufall, dass solche Initiativen zur selben Zeit auftauchten, meinen Experten. Im Jänner 2013 trafen sich 20 führende Abtreibungsgegner aus Europa und den USA in London zu einem Forum für "die Entwicklung von Strategien für die Pro-Life-Bewegung in Europa". Weitere Treffen fanden 2014 in München, 2015 in Dublin und 2016 in Warschau statt. Unter den Starrednern dieser Treffen fanden sich namhafte US-amerikanische Abtreibungsgegner. "Die Amerikaner steuern das Know-how bei", meinte Neil Datta, Sekretär des Europäischen Parlamentarischen Forums für Bevölkerung und Entwicklung (EPF), eines Netzwerk europäischer Parlamentarier, das sich für den Schutz reproduktiver Rechte einsetzt.

"Die US-Bewegung ist uns 30 Jahre an Erfahrung voraus", sagt er. Sie habe die politischen Richtlinien zur Hand, die an den lokalen Kontext angepasst werden können. "Unter Barack Obama dachte die christliche US-Rechte, sie würde den Kampf im eigenen Land verlieren, und dehnte ihre 'Kulturkriege' auf Übersee aus", erklärt Peter Montgomery von Right Wing Watch.

US-Unterstützung

Auch eine der größten konservativen christlichen US-Organisationen, die Alliance Defending Freedom (ADF), expandierte ihr Netzwerk an christlichen Rechtsberatern 2010 nach Europa. Aus den bei der US-Steuerbehörde eingereichten Jahresabschlüssen geht hervor, dass die Organisation ihre Unterstützung für Europa von zirka 800.000 US-Dollar im Jahr 2013 auf 2,5 Millionen US-Dollar 2016 erhöht hat. Während dieser Zeit kam es auch zur Gründung von ADF International, mit Büros in Belgien, Österreich, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz. (Claudia Ciobanu aus Bukarest, redigiert von Timothy Large, 23.2.2019)