Donen wurde 94 Jahre alt. Er war einer der letzten Vertreter von Hollywoods goldener Ära.

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Der Regisseur bei der Verleihung des Oscars für sein Lebenswerk.

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Gleich seine erste Regiearbeit war eine Wette, ob das künstlichste aller Filmgenres auch funktioniert, wenn man es aus den Studios in die Realität verlegt: Mit "On the Town (Heut' gehen wir bummeln)" (1949), der munteren Chronik des Landurlaubs dreier Matrosen, wurde zum ersten Mal ein Musical auf den Straßen New Yorks gedreht. Zehn Jahre vor der Nouvelle Vague unterwarfen Stanley Donen und sein Co-Regisseur Gene Kelly das urbane Durcheinander einer vergnügten Choreografie.

Drei Jahre später ließ er Kelly durch Regenpfützen tanzen: In "Singin‘ in the Rain" herrscht eine mühelose Akrobatik der Lebensfreude, mit der Hollywood dem eigenen Eskapismus sein schönstes Denkmal setzte. Der 1924 in Columbia, South Carolina geborene Donen begann bereits mit zehn Jahren seine Karriere als Tänzer, debütierte mit 16 am Broadway und kam als Choreograph zum Kino. Er eroberte dieser Disziplin ganz neue Zuständigkeiten; seiner Vorstellungskraft waren keine Grenzen gesetzt. Er ließ Kelly mit Zeichentrickfiguren, seinem eigenen Spiegelbild sowie auf Rollschuhen und Mülleimerdeckeln tanzen; Fred Astaire erklomm für ihn tanzend die Wände und die Decke eines Apartments -ein Trick, den Donen später in einem Musikclip mit Michael Jackson wiederholte.

Zweiflerische Neugier

In "The Pajama Game (Picknick im Pyjama)" (1957) löst er einen Streik in Tanz und Gesang auf, ohne das Anliegen der Gewerkschaftler je zu diskreditieren. Donens Lust an Variation und Deplacierung ist nicht nur in Einfallsreichtum grundiert, sondern stets auch in einer zweiflerischen Neugier. Er hinterfragte den eleganten Optimismus des Genres, entzauberte in "It's Always Fair Weather (Vorwiegend heiter)" (1955) den Kinoschwur unverbrüchlicher Männerfreundschaft und brachte drei Kriegsveteranen dazu, Abschied zu nehmen von ihren lässlichen Lebenslügen.

Donens Karriere lässt sich als Folge glücklicher Begegnungen erzählen: mit kreativen Produzenten wie Arthur Freed und Roger Edens, geistreichen Drehbuchautoren wie Betty Comden, Adolph Green und Peter Stone, schließlich mit Stars wie Audrey Hepburn und Cary Grant. So ist er ein Streitfall der Autorentheorie geblieben; Vincente Minnelli, bei MGM sein großer Rivale als Erneuerer des Filmmusicals, schien stets der entschlossenere Stilist zu sein, Donen hingegen das eher geschmeidige, interpretierende Erzähltemperament. Mit der sublimen Krimikomödie "Charade" (1963) stellte er sich als einer der geschicktesten Hitchcock-Epigonen vor (wobei Donens Film gerade in der Differenz zu dessen Stil seine interessantesten Momente findet), und bewies sein besonderes, nicht gering zu schätzendes Talent, Leinwandattraktionen zur Geltung zu bringen: einen schillernden Schauplatz, berückende Schauspielergesichter und raffinierten Dialogwitz. Sein heimliches Meisterwerk wurde 1966 die kompliziert verschachtelte Ehekomödie "Two For The Road (Zwei auf gleichem Weg)", wo sich Verletzbarkeit und Angst hinter einem funkelnden Sarkasmus maskieren. Die Melancholie war nie weit entfernt in den Filmen Stanley Donens, der nun im Alter von 94 Jahren gestorben ist. (Gerhard Midding, 24.2.2019)