Um den Unmut über die Kandidatur des schwerkranken Abdelaziz Bouteflika für eine fünfte

Amtszeit zum Ausdruck zu bringen, müssen in Algier mitunter auch Verkehrszeichen herhalten.

AFP/Ryad Kramdi

Die Luft für Algeriens greisen Staatschef Abdelaziz Bouteflika wird dünner, der Widerstand gegen seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im April wächst massiv. Am Wochenende demonstrierten Hunderttausende gegen die als ausgemacht geltende Wiederwahl des seit 1999 amtierenden Präsidenten und zeigten eindrucksvoll, dass ein erheblicher Teil der überwiegend jugendlichen Bevölkerung keineswegs gedenkt, bei der grotesken Wahlmaskerade der herrschenden Eliten noch ein weiteres Mal mitzuspielen.

Schon bei seiner Wiederwahl 2014 war der damals 76-jährige Staatschef ein Schatten seiner selbst, trat im Wahlkampf nicht öffentlich auf und konnte bei seiner Vereidigung nur mit Mühe seinen Amtseid verlesen. Bouteflikas erneute Kandidatur gilt im Land als Affront und droht nun das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Bereits vor einer Woche hatten sich in mehreren Städten im Norden Algeriens Demonstrationen gegen ein fünftes Mandat des vom Regime als alternativlosen "Konsenskandidaten" hochstilisierten Bouteflika formiert – doch die Proteste am vergangenen Freitag stellten diese deutlich in den Schatten. Allein in der Hauptstadt Algier, in der Demonstrationen seit 2001 de facto verboten sind, protestierten am Freitag mehrere zehntausend Menschen und forderten den seit einem Schlaganfall 2013 im Rollstuhl sitzenden Bouteflika unmissverständlich dazu auf, seine Bewerbung für das höchste Staatsamt zurückzuziehen. Schon am Vormittag hatten sich vereinzelte Demonstranten im Stadtzentrum von Algier eingefunden, wurden jedoch von einem Großaufgebot der Polizei empfangen.

Nach den Freitagsgebeten erhielten die in Arbeitervierteln wie Bab El Oued lancierten Protestmärsche, zu denen bereits seit rund zehn Tagen in sozialen Netzwerken aufgerufen wird, jedoch massiven Zulauf: Aus 35 der 48 Provinzen des Landes wurden Demonstrationen mit jeweils tausenden oder gar zehntausenden Teilnehmenden gemeldet.

"20 Jahre, es reicht!"

Sowohl im Westen in Oran, Mostaganem, Chlef und Tiaret als auch in Annaba, Constantine und Sétif im Osten des Landes sowie in der berberisch geprägten Region Kabylei östlich von Algier zogen Demonstranten durch die Straßen und skandierten Parolen wie "Nein zum fünften Mandat!", "20 Jahre, es reicht!" oder "Das Volk will weder Bouteflika noch Said!" – eine Anspielung auf den im Land verhassten jüngeren Bruder Bouteflikas, der als Präsidentenberater im Hintergrund die Fäden zieht.

Während Demonstrationsteilnehmer in mehreren Städten Bouteflika-Portraits von Gebäudefassaden oder Bussen entfernten, blieben die Proteste ausnahmslos friedlich. Auch die Sicherheitskräfte agierten betont zurückhaltend und ließen die Menschen weitgehend gewähren. Die Polizei setzte lediglich in Algier kurzzeitig Tränengas und Wasserwerfer ein, als sich ein Protestmarsch dem vom Militär bewachten Präsidentenpalast näherte. Nach Angaben der Behörden wurden landesweit 41 Menschen vorübergehend festgenommen, jedoch offenbar ausnahmslos nach wenigen Stunden wieder freigelassen.

Tränengas gegen Demonstranten

Am Sonntag folgten derweil nur einige hundert Menschen den Aufrufen der oppositionellen Parteienallianz Mouwatana und versammelten sich in der Innenstadt von Algier. Auch hier setzte die Polizei Tränengas ein und versuchte wiederholt die Versammlung aufzulösen.

Für kommenden Freitag rufen Aktivisten zu weiteren Demonstrationen auf. Ob diese einen ähnlich hohen Zulauf erhalten werden, dürfte auch von der Reaktion des Präsidentenclans abhängen. Der Interimschef der Regimepartei FLN, Mouad Bouchareb, hatte die Proteste bereits am Samstag in einer Ansprache verurteilt und sich wenig kompromissbereit gezeigt.

Die mit Grabenkämpfen beschäftigte parteipolitisch organisierte Opposition zeigt sich unterdessen unfähig, den wahl- und machttaktischen Manövern des Regimes wirksam etwas entgegenzusetzen. Unklar bleibt, ob die Demonstrationen vom Wochenende das Potential haben, sich zu einer veritablen Protestwelle auszuweiten. Die regierenden Eliten sind jedenfalls gewarnt – und Bouteflika angezählt. (Sofian Philip Naceur, 24.2.2019)