Wien – Pizzabäcker S. ist auch am zweiten Tag seiner Verhandlung wegen geschlechtlicher Nötigung vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Christoph Bauer recht guter Dinge. Der 32-jährige Italiener bleibt dabei: Nein, er habe sich im August 2017 seiner 23 Jahre alten Kollegin W. nicht im Duschraum der Pizzeria mit entblößtem, erigiertem Penis genähert und erst recht nicht versucht, ihre Hand auf sein Glied zu ziehen.

Warum die Kellnerin, die den Vorfall erst ein halbes Jahr später angezeigt hat, die Vorwürfe erhebt, kann er sich nicht erklären. Seine Verteidigungslinie wird am zweiten Tag aber durch Aussagen von weiteren Zeuginnen und Zeugen erschüttert – und durch ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten, das sich mit der Krümmung des Geschlechtsteils des Angeklagten befasste.

Zeugin hatte Verhältnis mit Angeklagtem

Die Bedeutung dieser Expertise wird mit dem Auftritt der ersten Zeugin klar. Die war zur fraglichen Zeit ebenfalls Kellnerin in dem Lokal. Und hatte ein sexuelles Verhältnis mit dem Angeklagten. "W. hat mich am Tag nach dem Vorfall angerufen und erzählt, dass S. sie belästigt hat", erinnert sich die Zeugin. W. habe auch die ungewöhnliche Form des Geschlechtsteils von S. beschrieben, daher habe sie ihr geglaubt.

Am ersten Verhandlungstag hatte S. noch behauptet, dass an seiner Erektion nichts Ungewöhnliches sei. "Weil es für mich normal ist", sagt er nun dazu. Zusätzlich vermutet er, dass sich W. bereits vor dem inkriminierten Vorfall mit der Zeugin über seinen Penis ausgetauscht habe. "Unter Frauen spricht man sicher darüber, wie ein Mann gebaut ist"; mutmaßt er.

Auch der nächste Zeuge stützt jedoch W.s Version. Der Ex-Freund der jungen Frau erinnert sich, dass W. ihn damals unbedingt sehen wollte. Als er sie von der U-Bahn abholte, habe sie zu weinen begonnen und erzählt, dass sie in der Arbeit belästigt worden sei. "Ich dachte zuerst, jemand ist gestorben, ganz ehrlich", fasst er W.s Gemütslage zusammen. Versuche, sie zu einer Anzeige zu überreden, seien aber damals gescheitert.

Kussversuch vor dem WC

Eine weitere Mitarbeiterin behauptet, einmal selbst unliebsame Erfahrungen mit S. gemacht zu haben. "Wir waren im Abenddienst, ich ging im Keller auf das WC. Als ich herauskam stand er da und versuchte mich zu küssen. Ich habe 'Stopp' gesagt, und er hat aufgehört."

Privatbeteiligtenvertreterin Elisabeth Bischofreiter will für W. 2.500 Euro für erlittene seelische Schmerzen. Und verweist wie die Staatsanwältin auf das Gutachten, das belege, dass ihre Mandantin den Angeklagten unbekleidet gesehen haben müsse.

Der Senat verurteilt den unbescholtenen S. schließlich nicht rechtskräftig zu zehn Monaten bedingt. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht", begründet der Vorsitzende. "Auch wenn Frau W. dazu neigt, sehr impulsiv zu formulieren – es entstand nicht der Eindruck, dass sie gelogen hat." W. bekommt 500 Euro zugesprochen. (Michael Möseneder, 18.3.2019)