Wien – Sieht man dem jungen Mann aus Nischni Nowgorod (Jahrgang 1991) zu, erweckt Daniil Trifonov den Eindruck eines Entrückten. Die Noten scheinen von ihm erlitten zu werden: Das musikalisch Zarte begleitet ein seliges Lächeln, während es Trifunov beim Dramatischen kaum auf dem Hocker hält. Bei geschlossenen Augen ist der Eindruck allerdings nicht weniger markant. Nimmt Trifonov das Thema von Beethovens Andante favori F-Dur, WoO 57 zwar regelrecht sachlich, bietet er hernach ein Abenteuer, das von fast mozartischer Zartheit bis zur wilden Raserei reicht.

Diese Unbedingtheit des Sich-ausdrücken-Wollens, diese organischen Kontraste: Sie sind der Wesenskern des Künstlers. Beethovens Sonate Es-Dur, op. 31/3 mag bei einem Alfred Brendel apollinischer und abgerundeter geklungen haben. Die zupackend-dionysische Art des russischen Virtuosen hebt das Werk jedoch auf eine Ebene mitreißender Eloquenz. Auch bei Schumanns Bunten Blättern, op. 99 wird das Schwärmerische einmal verinnerlicht dann wieder in Form regelrecht brennender Linien serviert. Und Prokofjews Klaviersonate Nr. 8? Mal wähnt sich der hin und her gerissene Hörer in einer Spieldose, dann wieder inmitten eines Vulkans. Grandios subjektiv. (Ljubisa Tosic, 25.2.2019)