Zürich – Gerade erst ist mit dem Film "Roma" ein Schwarz-Weiß-Streifen mit mehreren Oscars ausgezeichnet worden. Was heute ein Kunstgriff ist, war lange die Normalität des Filmgeschäfts – zumindest bis die Farben kamen. Teils mühsam per Hand koloriert, teils mit aufwendigen chemischen Prozessen oder mit Linsen vor dem Projektor erreicht.

Farben spielen eine zentrale Rolle dafür, wie Filme wirken, und haben mitunter eine eigene symbolhafte Sprache. Bisher hat sich die Filmwissenschaft aber relativ wenig mit dem Thema beschäftigt. Das Projekt "FilmColors" unter Leitung von Barbara Flückiger von der Universität Zürich soll das ändern.

Unklares Farbspektrum

Nur ein Bruchteil des weltweiten Filmerbes ist in digitaler Form verfügbar. Beim Digitalisieren älterer Filme liefern Scanner jedoch nur Rohdaten. Die Geräte wissen nicht, ob die Farben auf dem Filmstreifen verblasst sind oder ob vorgesehen war, dass eine Linse für die Vorführung vor den Projektor gelegt wurde. Außerdem wurden im Zuge der Filmgeschichte zahlreiche Farbfilm-Verfahren entwickelt. Viele haben sich nie durchgesetzt und sind größtenteils in Vergessenheit geraten.

Das Projekt befasst sich einerseits damit, die Entwicklung des Farbfilms lückenlos zu rekonstruieren, andererseits mit neuen Scan-Verfahren, um analoge Farbfilme zu digitalisieren, wie die Uni schrieb. Das Team um Flückiger analysiert Filme aus dem Zeitraum 1895 bis 1995 im Detail und erfasst sie in einer großen Datenbank. Mittlerweile sind darin über 400 Filme mit 17.000 Einzel-Segmenten und mehr als 170.000 Screenshots vertreten.

Differenzierte Bildanalysen

Mit Hilfe von Informatikern um Renato Pajarola (Uni Zürich) entwickelte das Team zudem eine Plattform namens "VIAN", um das Material mit Schlagworten und Kommentaren zu versehen. Außerdem lässt sich der Datensatz damit analysieren: Zum Beispiel kann man damit darstellen, welche Farben in Nachtszenen zwischen 1895 und 1939 dominieren, wenn man Szenen mit Feuer ausschließt. Dank maschinellem Lernen kann die Software zudem Figuren und Hintergrund unterscheiden, und macht so differenziertere Analysen möglich.

Diese computergestützte Herangehensweise sei ungewöhnlich für die Filmwissenschaft, meint Flückiger. In der Regel werde ein kleines Sample untersucht und ausführlich interpretiert, was zwar sehr aufschlussreich sein kann, aber keine allgemeinen Aussagen zulässt. "Man liest in solchen Analysen dann, dass Rot für Leidenschaft oder Grün für Neid steht, aber ob solche Konventionen auch für ein größeres Korpus gelten, hat niemand überprüft."

Offene Plattform

Die Plattform soll künftig Forschern weltweit offen stehen: Eine Web-App soll in den kommenden Monaten online gehen und der Quellcode als Open Source veröffentlicht werden. So könnte die Software auch anderen Fachbereichen dienen, zum Beispiel Historikern, Psychologen und Ethnologen, die ebenfalls auf Video-Analysen setzen. (red, APA, 27.2.2019)