Apps, um den eigenen Zyklus zu tracken, gibt es in den App Stores haufenweise.

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Im STANDARD-Zyklus reden wir über die Periode.

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Ob Schritte, Gewicht oder die tägliche Kalorienzufuhr: Das Smartphone hat uns zu gewissen Tieren der Selbstoptimierung oder zumindest Selbstüberwachung gemacht. Heute schließen sich viele Frauen dem Trend an und greifen zu Apps, in denen sie ihren Zyklus eintragen. In Googles Playstore und dem App Store von Apple tummeln sich mittlerweile dutzende Programme, die diesen Zweck auf die eine oder andere Weise erfüllen. Die meisten von ihnen präsentieren sich in pinker Farbe und nutzen Blumen, Federn oder Herzen als Symbolbilder.

Im Grunde funktionieren sie sehr ähnlich: Nutzerinnen tragen Informationen über ihre Menstruation ein und erhalten dafür Vorhersagen über künftige Blutungen. Neu ist das nicht – in der Vergangenheit war es für viele Frauen üblich, analoge Kalender zu führen.

Normal langer Zyklus

Jedoch gilt Vorsicht. Der Leipziger Gynäkologe Henry Alexander kritisiert, dass die Apps zumeist eher unzuverlässig sind. "Wenn überhaupt, sind die meisten Apps, Tracker und Computer nur für Frauen mit einem sogenannten Standardzyklus geeignet. Das steht auch häufig im Kleingedruckten: nur für Frauen mit einer Zykluslänge unter 35 Tagen", sagt Alexander.

Vor allem junge Mädchen würden ihrem Smartphone viel zu sehr vertrauen. "Die meisten Zyklusapps errechnen den Zeitpunkt des Eisprungs, indem sie von einem Normalzyklus von 28 Tagen mit Eisprung am 14. Tag ausgehen. Sie errechnen anhand der letzten Zykluslängen den wahrscheinlichen Termin für die nächste Monatsblutung und rechnen dann 14 Tage zurück", sagt Alexander. Der Großteil der Frauen würde diesem Muster nicht folgen. "Es ist ein reines Ratespiel." Aus seiner Sicht gehöre "digitale Aufklärung" über das Thema heutzutage zum Schulunterricht dazu.

Fehleranfällige Verhütungsmethode

Neben der Vorhersage des nächsten Eisprungs versuchen viele dieser Apps auch zu prognostizieren, wann die fruchtbaren Tage stattfinden. Manche Frauen verlassen sich darauf, um zu verhüten. "Prinzipiell gibt es die Berechnungsmethode ja schon viel länger, als diese Apps existieren", sagt der Wiener Gynäkologe Johannes Seidel dem STANDARD und verweist auf Verhütungscomputer. "Das kann man aber nicht annähernd mit Kondom, Pille, Spirale und so weiter vergleichen." Die Berechnung sei viel zu fehleranfällig – am ehesten würde sie noch bei einem regulären Zyklus funktionieren.

Auch komme es darauf an, wie viele Parameter einberechnet werden. Nur der Beginn und das Ende der Periode sei unzureichend. "Beispielsweise könnte man die Körpertemperatur oder Informationen zum Cervixschleim eingeben." Wenn man mit einer App verhüte, dann am ehesten mit einer mit möglichst vielen Beobachtungsmethoden, empfiehlt er. "Aber: Wer misst jeden Tag in der Früh seine Temperatur?" Zudem seien auch Zyklusinstabilitäten zu bedenken. "Man kann nie genau sagen, ob der Eisprung zu genau diesem Zeitpunkt stattfindet", sagt Seidel. "Insgesamt sind diese Apps ganz nett zum Kontrollieren des Zyklus, zur Verhütung aber nur extrem bedingt geeignet", resümiert er.

Sicherheit "vorgegaukelt"

Alexander schließt sich diesem Fazit an. Er sieht Apps, die die Empfängniswahrscheinlichkeit mit einem Ampelsystem – etwa rot und grün – angeben, kritisch. "Die Komplexität der Fruchtbarkeit wird dabei nicht berücksichtigt. Aus meiner Sicht wird der Frau eine Sicherheit vorgegaukelt, die nicht realistisch ist", kritisiert er im Gespräch mit dem STANDARD.

Laut Alexander sind Zyklusapps und Tracker vor allem dazu gut, den Zyklus weiter in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. "Forscher werden diesem Trend folgen, und ein veritabler Zyklusscanner sollte früher oder später Standard in der Diagnostik werden", sagt er.

Martina Morowitz von der Beratungsstelle First Love der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung erklärt auf Anfrage, dass dort vor allem Jugendliche mit einem "schwierigen sozialen Hintergrund" Beratung suchen. "Das ist die Gruppe, die leider oft ganz auf Verhütung verzichtet." Grundsätzlich rät sie davon ab, solche Apps zur Verhütung zu nutzen: "Diese Methoden sind nur für Frauen gedacht, die kein Problem damit hätten, wenn eine Schwangerschaft eintritt." Tendenziell sei es aber empfehlenswert, die Programme zu nutzen, um den eigenen Zyklus zu kennen.

Datenschutz?

Jedoch gilt es den Datenschutz zu bedenken. Apps wie Clue, Flo und Natural Cycles sammeln nämlich allerlei Daten über ihre User. Neben der Menstruation können Nutzer für genauere Vorhersagen angeben, ob sie etwa Alkohol getrunken haben, Sex hatten oder Medikamente genommen haben. Diese Informationen sind gerade für Pharmaunternehmen sehr wertvoll.

Laut der Grundrechts-NGO Electronic Frontier Foundation (EFF) sind die Tracker und die dadurch gesammelten Informationen aktuell ein großes Geschäft. Die meisten Hersteller beteuern auf Anfrage, sehr sorgsam mit den Informationen umzugehen – dennoch gilt es, Vorsicht zu wahren. So kooperiert etwa die beliebte App "Natural Cycles" mit Pharmafirmen, um anhand der Daten Anzeichen für Unfruchtbarkeit zu erforschen.

Im Test: Fitbit Versa

Ein Unternehmen, das den Hype um Fitnesstracker mit dem Trend zu solchen Programmen kombiniert, ist Fitbit. Es bewirbt seine smarte Fitnessuhr Versa unter anderem mit speziellen Features für Frauen. Der STANDARD hat die Uhr getestet, jedoch fielen zumindest diese Funktionen eher enttäuschend aus: So handelt es sich bei Fitbits Angebot lediglich um eine reguläre Tracking-App, wie sie auch schon bei den vielen Konkurrenten angeboten wird. Dafür funktioniert sie sehr gut, das würde aber den hohen Preis der Uhr – sie kostet laut unverbindlicher Preisempfehlung rund 200 Euro – allein nicht rechtfertigen.

Nutzerinnen können angeben, von wann bis wann ihre Periode stattfand, wie stark die Blutung war, ob sie bestimmte Symptome hatten, wie sie sich fühlten, ob sie Geschlechtsverkehr hatten, ob bestimmte Flüssigkeiten ausgetreten sind und ob sie die Pille danach genommen haben. Anhand dieser Informationen versucht die App vorauszusagen, wann die nächste Periode bevorsteht und wann die nächsten fruchtbaren Tage sind. So weit, so üblich.

Bessere Integration

Fitbit hat angekündigt, die dadurch gesammelten Daten in Zukunft besser in die restlichen Funktionen der Uhr zu integrieren. Dann soll die Uhr Nutzerinnen je nach Angaben spezifischere Tipps, etwa bezüglich Sport oder Schlaf, geben. Aktuell handelt es sich aber nur um einen Tracker. Die Vorhersagen zum kommenden Zyklus waren im Test nach drei Einträgen äußerst genau, da die Berechnungen sich an die Daten anpassen; die Eingabe weiterer Details erwies sich jedoch, wenn überhaupt, nur für die eigene Nachvollziehbarkeit als praktisch.

Guter Fitnesstracker

Ansonsten handelt es sich aber um ein mächtiges Fitnessarmband, das vor allem mit einer langen Akkulaufzeit von rund vier Tagen punkten kann. Das ist insofern löblich, als die Uhr durchgehend die Herzschlagfrequenz misst. Ebenso positiv fiel Fitbits Fitnessangebot im Allgemeinen auf: Der Hub ist höchst intuitiv und übersichtlich, das meiste Tracking erfolgt automatisiert. Die Uhr erkennt, ob man gerade läuft, schläft, Treppen steigt oder Ähnliches. Dabei kommt es gelegentlich zu fehlerhafter Erkennung, insgesamt ist die Fitbit Versa aber überdurchschnittlich genau. Das wasserdichte Gehäuse erlaubt es zudem, bis in eine Tiefe von 50 Meter zu tauchen.

Negativ fiel auf, dass die Versa im Vergleich zu der Konkurrenz bei Apple oder Samsung ein kleines Angebot an Apps bietet – das Gerät eignet sich also eher als Fitnessuhr, weniger aber als Smart Watch. Zudem hat es keinen Sprachassistenten integriert, was etwa bei dem Verfassen von Antworten über die Uhr unpraktisch ist.

Im März veröffentlicht Fitbit eine Lite-Version der Versa, die einen etwas schlechteren Bildschirm hat, auf NFC verzichtet und keinen internen Speicher besitzt, der zur Musikwiedergabe über die Uhr genutzt werden kann. Das ist zu verschmerzen: In Österreich gibt es ohnehin keine Möglichkeit, mit der Uhr zu bezahlen. Der interne Speicher soll eigentlich ermöglichen, Musik ohne Smartphone zu hören. Im Test erwies sich das aber als äußerst unpraktisch, da die Versa über kein GPS-Modul verfügt, weswegen es nicht möglich ist, die bezwungene Route aufzuzeichnen – demnach werden die meisten Nutzer vermutlich so oder so ihr Handy mitnehmen.

Frauenspezifische Themen sind endlich dabei

Letztendlich werden die spezifischen Funktionen für weibliche Nutzer allein den Kosten der Uhr nicht gerecht – dennoch: Da Fitbit, so wie andere Hersteller, seine Produkte als Hub für das Management der eigenen Gesundheit etablieren möchte, ist es begrüßenswert, dass das Unternehmen dabei auch einen Fokus auf frauenspezifische Themen wie den Menstruationszyklus legt. Dieser wurde bisher nämlich zu einem großen Teil vernachlässigt. Davon abgesehen bietet die Uhr ein starkes Paket: Frauen (und auch Männer), die sowieso eine smarte Fitnessuhr gesucht haben, sind mit Fitbits Angebot sehr gut bedient. (Muzayen Al-Youssef, 14.3.2019)