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Barbara Blaha will einen Thinktank gründen.

Foto: Jürg Christandl/picturedesk.com

Wien – Vor zwölf Jahren hat Barbara Blaha, damals ÖH-Vorsitzende, ihre Partei, die SPÖ, verlassen – aus Protest gegen die Aufrechterhaltung der von Schwarz-Blau eingeführten Studiengebühren unter Bundeskanzler und SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer. Das Dutzend Jahre seither verbrachte Blaha als Autorin und Verlegerin. Nach ihrem Engagement als kaufmännische Leiterin beim Wiener Czernin Verlag wechselte sie 2014 als Programmchefin für den Bereich "Wissen & Entdecken" zum Brandstätter Verlag, Ende 2018 übernahm sie dort auch die Sparte "Kunst & Leben". Diesen Job kündigte sie nun für einen größeren Plan: Blaha gründet einen Thinktank, dem vielleicht auch einmal ein Printprodukt folgen könnte, kündigt sie im Interview mit dem Monatsmagazin "Datum" an. Arbeitsbeginn soll noch vor dem Sommer sein.

Unter dem Arbeitstitel "Projekt 360" arbeitet Blaha an einem Denkpool, "der unabhängig von parteipolitischen Erwägungen arbeitet; der fakten- und lösungsorientiert ist; dessen Maßstab die sozialen und wirtschaftlichen Interessen der breiten Mehrheit sind; der dieser Mehrheit eine Stimme verleiht in einem verteilungspolitischen Diskurs, der von den Eliten bespielt wird; und der sich nicht an tagespolitischen Stimmungen orientieren muss, um bei Wahlen Stimmen zu maximieren, sondern sich ernsthaft und kritisch mit komplexen Fragen auseinandersetzen kann – und im Ergebnis allen nützt."

Sechsstelliger Betrag

Derzeit ist sie dabei, Geld dafür aufzustellen, Ziel ist ein sechsstelliger Betrag, um ein Team aufzustellen, das Analysen und Konzepte dafür, "wie man Dinge besser machen kann", liefern soll: "Gleichzeitig sollen diese Ideen nicht in Schubladen verstauben, es geht natürlich auch darum, sie zu kommunizieren." Blaha sucht also Expertinnen und Experten, die "auf breiter Faktenbasis fundierte Analysen erarbeiten", sowie Menschen, die die "Übersetzung, eine verständliche Aufbereitung komplexer Zusammenhänge" leisten sollen. Das Ziel ist, "rasch Informationen bereitzustellen, um ein ausgewogenes Meinungsbild zu ermöglichen".

An wen richtet sich die Arbeit des geplanten Thinktanks? An die "90 Prozent, die es sich nicht richten können", sagt Blaha und nennt exemplarisch jene eineinhalb Millionen Menschen in Österreich, die an oder unter der Armutsschwelle leben. Vielen von ihnen hätten sich aus dem politisch-demokratischen Prozess ausgeklinkt, weil sie keine Hoffnung mehr hätten, dass sich für sie etwas ändern werde.

Auf der anderen Seite sieht Blaha "zwei, drei Prozent Superreiche, die sich häufig ebenfalls aus dem demokratischen Prozess verabschiedet haben, weil sie das politische Spiel ohnehin bestimmen. Die brauchen keine Wahlen, weil sie den Bundeskanzler auf der Kurz-Wahl haben und unzählige Lobbyisten und Pressure-Groups bezahlen, die dafür sorgen, dass ihre Interessen bis ins letzte Detail durchgesetzt werden."

Die Arbeit ihres Thinktanks sei im Übrigen auch "für die oberen Prozente interessant", weil es um den sozialen Frieden gehe, betont Blaha: "Es geht um uns als Gesellschaft, als Gemeinschaft."

"Agenda du und ich"

Als potenzielle Themen nennt sie etwa leistbares Wohnen und lebenswertes Arbeiten. Oder die Frage "Warum gibt es nicht längst eine öffentliche Pflegeversicherung?". Ihre Organisation soll eine "Agenda du und ich" stemmen. Und zwar unabhängig nach allen Seiten. Darum bemüht sich Blaha auch um eine breite Finanzierung. "Logische Ansprechpartner" seien "die Institutionen der Arbeitnehmervertretung", aber auch Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen: "Je breiter die finanzielle Basis und der intellektuelle Input, desto besser." Derzeit befinde sie sich in einer "ersten Fundraising-Phase". Daran anschließend soll um Klein- und Kleinstspenden geworben werden.

Die Freiheit, nach dem Parteiaustritt tun und sagen und lassen zu können, was sie will, beansprucht Blaha, die über ein beachtliches Netzwerk an Gegnern – in dessen Mitte laut "Datum" Alfred Gusenbauer steht – verfügt, auch für den künftigen Thinktank: "Wir machen ausschließlich das, was wir für richtig halten. Uns schafft keiner an!" (nim, 28.2.2019)