Mara hat in der Früh immer ein fettes Minus in Sachen Familienarbeit, ihr Mann Johannes ein dickes Plus. Sie bereitet an keinem Tag der Woche das Frühstück für die Kinder. Die bringt sie auch nur einmal in den Kindergarten, dann nämlich, wenn sie nicht ins Büro muss. Manchmal geht es sich aus, dass sie dem Kleinen noch schnell die Zähne putzt oder das Gewand für den Kindergarten herauslegt. Vor allem dann, wenn sich das schlechte Gewissen meldet.

Den Rest der Woche übernimmt Johannes diese Aufgaben. Der arbeitet 35 Wochenstunden, er hat den Frühdienst bei den Söhnen, drei und sechs Jahre alt. Während er ihnen die Schuhe anzieht, eilt Mara zur Arbeit in der Marketingabteilung einer großen Firma, checkt im Laufschritt erste Mails, um sie in der S-Bahn zu beantworten. Das bringt später einen kleinen zeitlichen Puffer. Den kann sie brauchen. Spätestens um drei Uhr (manchmal wäre zwei Uhr auch ganz nett, sagen die Kids) macht sie sich schon wieder auf den Weg Richtung Kindergarten und Schule.

Bild nicht mehr verfügbar.

Dass die Arbeit in der Familie gerechter verteilt wird, wollen in der Theorie eigentlich fast alle. In der Praxis scheitern dann viele. Und geraten darüber sogar in Streit.
Foto: Getty Images/kupicoo

Wenn beide Elternteile arbeiten, muss man den Alltag irgendwie organisieren, die Familienarbeit aufteilen. Zum Glück machen Väter heute viel mehr als noch in den 1980er-Jahren: Sie wickeln, kaufen ein, kochen, übernehmen Teile der Kinderbetreuung. Halbe-halbe, das wollen alle modernen Paare in der Theorie, in der Praxis scheitern viele. Da wird es dann doch oft ein Ein- wenig-er-und-den-Rest-sie. Und schon gibt es Zores.

Das Experiment

Vier Familien mit unterschiedlichen Arbeitskonstellationen haben für den STANDARD ein Experiment gewagt: Eine Woche lang haben sie akribisch notiert, wer was im Haushalt macht und wer die Kinder betreut. Wer hängt die Wäsche auf, wer liest das Gute-Nacht-Buch vor. Wer holt die Kinder von der Schule, wer kocht das Essen oder steht in der Nacht auf, wenn einer der Zwerge einen Albtraum hat? Am Ende der Woche wurde abgerechnet.

Grafik: DER STANDARD

Stimmt das, was Studien nahelegen? Laut einer Untersuchung, die im European Journal of Population veröffentlicht wurde, liegt der tägliche Arbeitsaufwand in Österreich bei 30- bis 39-jährigen Frauen und Männern fast gleich hoch. Allerdings erledigen Frauen mit rund 300 Minuten pro Tag mehr als doppelt so viel unbezahlte Arbeit wie Kinderbetreuung und Haushalt. Denn Frauen arbeiten häufiger Teilzeit, vor allem sobald die Paare Kinder haben. Das ist auch größtenteils der Grund, warum in Österreich das Erwerbseinkommen von Frauen im Schnitt selbst zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes um 51 Prozent unter dem Wert vor der Geburt liegt, wie eine aktuelle Untersuchung zum Gender-Pay-Gap belegt. Laut dem Ökonomen und Studien-Co-Autor Stefan Zweimüller ist die traditionelle Rollenaufteilung so tief in der Gesellschaft verankert, dass Männer trotz des ausgebauten Angebots an Krippen- und Kindergartenplätzen noch immer häufiger bezahlter Arbeit nachgehen.

Selbst bei Paaren, die Haus- und Erwerbsarbeit nicht im Verhältnis hundert zu null aufgeteilt haben, übernehmen Frauen im Schnitt den Großteil der unbezahlten Familienarbeit, weist das deutsche WSI-Genderdatenportal aus – vor allem, solange die Kinder unter sechs Jahre alt sind.

Ist Ausflugsplanung Arbeit?

Bei den vier Paaren, die für den STANDARD eine Woche lang ihre Familienarbeit getrackt haben, ist vieles fairer aufgeteilt, als es die Statistik nahelegt. Dennoch gingen den Paaren bei der exakten Auswertung und zeitlichen Erfassung der täglichen Familienaufgaben die Augen auf. Denn das sogenannte "Mikromanagement" in der Familie liegt tendenziell doch eher bei den Müttern. Sie organisieren Termine, besorgen Geburtstagsgeschenke für die Kinderparty, sie überlegen sich die Betreuungslösung für den schulautonomen Tag.

Grafik: DER STANDARD

Sabrina (29), die wie ihr Mann Daniel (29) Vollzeit in der Pharmabranche arbeitet: "Bei uns gibt es so gut wie keine Diskussionspunkte. Außer beim Schlafengehen nehmen wir es sehr genau, weil das mit dem zweijährigen Paul momentan mehrere Stunden dauern kann."

Diese Aufgabe hat Daniel in der Woche öfter übernommen. Er hat Paul öfter gebadet und ihm die Zähne geputzt. Sabrina hat dafür richtig viel organisiert: zu kleine Wäsche aussortiert, Wochenendausflüge koordiniert, mindestens sieben verschiedene Termine im Kopf behalten und Arztbesuche vereinbart. Auch beim Einkaufen, Essen kochen und Putzen hat sie diese Woche ein deutliches Plus.

Normalerweise (wenn Paul nicht krank ist und zuhause gepflegt wird), bringt ihn Papa zwei Mal und Mama zwei Mal in den Kindergarten. Freitags machen das die Eltern gemeinsam und holen ihn auch gemeinsam ab.

Ihr Sohn Paul war diese Woche krank, die Pflege haben sich die Eltern 50:50 aufgeteilt. Dass beide Vollzeit arbeiten können, funktioniert nur, weil beide Gleitzeit haben. So kann immer einer das Kind in den Kindergarten bringen und später zu arbeiten beginnen. An einem Tag pro Woche springt die Oma ein. Besonders wichtig für Sabrinas Karriere ist der lange Mittwoch, an dem sie bei späten Meetings teilnehmen kann. So bleibt sie in der Firma präsent.

Welche Arbeit mehr wert ist

In der Familie von Simone (39), Kindergärtnerin, und Stefan (35), der eine Führungsposition im Verkauf hat, kommt es am ehesten zu Diskussionen, wenn eines ihrer beiden Kinder (neun und elf) krank ist: "Da wir beide gerne und fast gleich viel arbeiten, stellt sich oft die Frage, welche Arbeit mehr wert ist – und wer zu Hause bleibt."

Keine leeren Meter

Dem vierten Paar, Christoph (37), selbstständig, derzeit in Väterkarenz, und Alexandra (40), Journalistin, Vollzeit, ist in der Woche unseres Experiments deutlich aufgefallen, dass sie beide keine leeren Meter mehr in der Wohnung machen, seit sie Kinder (ein und vier Jahre alt) haben. Geht einer der beiden in den oberen Stock, nimmt er Schmutzwäsche für die Waschmaschine mit oder räumt auf dem Weg ein Spielzeug zur Seite.

Obwohl Alexandra derzeit einen 40-Stunden-Job macht, hat sie viele Striche bei Tätigkeiten wie Kinderwäsche aussortieren und Familientermine organisieren gesammelt. Auch im Haushalt hat sie einiges erledigt, vor allem am Wochenende. Christoph, der in seiner Karenz den Großteil von Kinderbetreuung und Haushalt macht, behält jedoch alle Termine im Blick und steht in der Nacht auf, wenn eines der Kinder die Eltern braucht.

Rollenüberkompensation

Bei Christoph und Alexandra zeigt sich auch ein wissenschaftlich belegtes Phänomen: Normalerweise leisten Frauen, die viel zum Familieneinkommen beitragen, am wenigsten unbezahlte Arbeit. Ab einem gewissen Punkt jedoch übernehmen jene Frauen, die besser als ihre Partner verdienen, wieder mehr Aufgaben im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung. "Aus ökonomischer Perspektive ist das nicht nachvollziehbar", meint die Wiener Ökonomin Katharina Mader. "Dafür gibt es soziologische und psychologische Erklärungsmuster, wie die Rollenüberkompensation. Wenn ich schon das traditionelle Rollenbild als Hausfrau und Mutter nicht erfülle, mache ich zumindest zusätzlich so viel unbezahlte Arbeit wie möglich".

Frei und doch nicht frei

Mara kennt das gespaltene Gefühl, einen Tag im Büro hinterher zu sein und gleichzeitig zu wenig Zeit mit den Kindern zu verbringen. Der entspannteste Tag sei jener, wenn ihr Mann Johannes die Kleinen abholt und sie open end in der Arbeit hat. "Da habe ich Ruhe." Im Gegensatz zu ihrem eigentlichen freien Tag. Da geht sie zum Arzt, checkt Termine, damit die nächste Arbeitswoche runder läuft, kauft ein und kocht einmal etwas Gesundes. Zugegeben: Ab und zu geht sich sogar ein halbstündiger Powernap aus. (Marietta Adenberger, 3.3.2019)