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André Previn wurde 89 Jahre alt.

Foto: AP/URS FLUEELER

Despektierliche Stimmen nannten ihn noch Anfang der 1960er-Jahre einen "Jazz-Cocktailpianisten". Die Ohren dieser Beklagenswerten blieben vollkommen taub gegenüber André Previns gewiefter, cooler, gleichsam weltumspannender Musikalität.

Mit seinen jüdischen Eltern vor den Nazis aus Berlin geflohen, blieb es Previn im US-Exil von Los Angeles vorbehalten, von Kindesbeinen an als ewiger, dabei absolut instinktsicherer Autodidakt sein eigenes – und das Glück seiner Zuhörer zu machen.

Ein Proteus der pianistischen Kunst, erhielt Previn früh Förderung durch Giganten wie die Dirigentenlegende Pierre Monteux. Und spielte doch erstaunlich rasch unter der Aufsicht von Shorty Rogers, einer anderen jüdischen Westcoast-Legende, befreit swingenden Cool-Jazz. Oder er machte als komponierender Dreikäsehoch im US-Radio von sich reden, zu einem Zeitpunkt, in dem Altersgenossen vielleicht bloß mit aller Macht den Baseball mit einem Schläger traktieren.

In Hollywood angekommen

Wer an der Seite von Shelly Manne und Red Mitchell derart unbekümmert die Tasten zu streicheln verstand, mit hellwachem Sinn für ungewöhnliche Phrasen und neue harmonische Wendungen, durfte sich schon als Jüngling mit Leonard Bernstein vergleichen lassen. Als "Jack-of-all-musical-trades" durchlief das Wunderkind von ehedem triumphal die Tore von Hollywood. Insgesamt viermal sollte André Previn den Oscar als Filmkomponist davontragen.

Die hinreißende Originalmusik zu Billy Wilders "Irma La Douce" stammte zur Gänze von ihm. Doch Previn gab sich irgendwann in den Sechzigern mit der leichteren Muse nicht mehr so ohne weiteres zufrieden. Er trat fortan vor allem als Dirigent der wichtigsten US-Orchester in Erscheinung; das London Symphony Orchestra leitete er von 1969 bis 1979.

Und so verstand es dieser Lebemann, Repertoirestücken der Moderne eine unwiderstehliche Eleganz mitzuteilen, sie gleichsam mit den edelsten Metallen aus der alten wie der neuen Welt zu legieren. Als Komponist eigener konzertanter Werke beschenkte er noch 2002 seine damalige Frau Anne-Sophie Mutter mit einem Violinkonzert. Einiges Aufsehen erregte er auch mit einer Oper nach Tennessee Williams' "Endstation Sehnsucht".

Aussöhnung von U und E

André Previns stete Pendelbewegung zwischen Hollywood und der New Yorker Carnegie Hall enthält – wie in einem Abebben – letztmals die Einlösung eines wunderbaren Versprechens der (notabene musikalischen) Moderne. Für die Dauer weniger Jahre oder Jahrzehnte schien im Schmelztiegel der amerikanischen Kulturindustrie die Aussöhnung von E und U, von klimatisiertem Konzertsaal und verrauchtem Jazzclub möglich.

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Mit Mia Farrow war Previn verheiratet.
Foto: Reuters/Larry Downing

Jetzt ist André Previn, dieser unendlich einnehmende Grenzgänger, knapp vor seinem 90. Geburtstag in seinem Zuhause im New Yorker Stadtteil Manhattan gestorben. Von Andreas Ludwig Priwin (Geburtsname) wird die beglückende Eigenschaft in Erinnerung bleiben, seine Hörer nie gelangweilt zu haben. Ihm selbst dürfte das Schicksal der Fadesse ebenfalls erspart geblieben sein. Er begleitete nicht nur Ella Fitzgerald am Klavier, er vergönnte sich auch den (temporären) Genuss einer Ehe mit Mia Farrow. (Ronald Pohl, 28.2.2019)