Unter den regimekonformen Strafrechtstheoretikern bestand ab Mitte der 1930er-Jahre weitgehend Konsens darüber, dass ein Willensstrafrecht den weltanschaulichen und politischen Vorstellungen des Nationalsozialismus am besten gerecht werde. Auch die amtliche Strafrechtskommission sprach sich für ein Willensstrafrecht aus. Maßgeblich für das Willensstrafrecht war die These, dass der verbrecherische Wille des Täters und nicht vorrangig der Taterfolg für die strafrechtliche Schuldzumessung ausschlaggebend sei.

Das tätergebundene Willensstrafrecht

Die breite Befürwortung eines Willensstrafrechts – der verbrecherische Wille steht im Mittelpunkt der Schuld- und Strafzuschreibung – bewirkte eine Subjektivierung des Strafrechts und die Tendenz zur Entwicklung einer Tätertypologie. Damit einher ging auch eine von den Rechtstheoretikern bejahte Verschärfung der strafrechtlichen Maßnahmen.

Das Willensstrafrecht sollte das bisher geltende "Erfolgsstrafrecht", das vom objektiven Tatbestand ausgeht, ersetzen. Dahinter stand die Maxime, nicht erst auf eine erfolgte Rechtsverletzung zu reagieren, sondern jede Schädigung der Volksgemeinschaft bereits in der vorbereitenden Willensartikulation zu unterbinden: "möglichst früh und mit aller Macht!" – so lautete Roland Freislers Vorgabe.

Die Beurteilung der Straftat sollte primär von der Willenshaltung des Täters abhängig gemacht werden. "Bestraft wird", wie Freisler betonte, "der Wille des Täters, nicht die Tat." Das Strafrecht mutierte zu einer "dauernden Selbstreinigungsapparatur des Volkskörpers". Der Feind der Volksgemeinschaft war der Wille des "Friedenstörers", der "Träger des asozialen" und "des anarchischen Prinzips", "auf den", so Freisler, "das Auge des Strafrechts stets gerichtet sein muß".

Volksgerichtshof 1944. Im Bild (v. li.): Hermann Reinecke: General der Infanterie, Roland Freisler, Präsident des Volksgerichtshofs, und Ernst Lautz, Oberreichsanwalt am Volksgerichtshof.
Foto: Bundesarchiv (CC 3.0)[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en]

Die Vertreter des Willensstrafrechts sprachen sich für eine Vorverlagerung der strafrechtlichen Zugriffsmöglichkeiten aus. Vonseiten des Staates sollte nach Möglichkeit bereits in das Planungsstadium eingegriffen und die Tatausführung unterbunden werden. Mit Beginn der Tatplanung werde notwendig, so die These, dass sich der Täter Strafdrohungen gegenübersehe.

"Volksverräter" und "Volksschädling"

Wenngleich die Vertreter des Willensstrafrechts nicht die Tatbestände rein durch Täterkategorien ersetzen wollten, leistete das Willensstrafrecht einer Tätertypologie Vorschub. Diese Nähe zu einer Tätertypologie ist verständlich: Wenn nicht erst der Tatversuch oder Taterfolg zählt, sondern das Auge des Gesetzes sich bereits auf den bösen Willen richten soll, von dem Unheil ausgeht, dann muss es entsprechende Indizien des Erkennens dieses gefährlichen Willens geben. Naheliegend ist es, deshalb von bestimmten Typen von potenziellen Tätern auszugehen. Der Tätertyp ist gleichsam das Bindeglied, um die Lücke zwischen nicht erfolgter, aber befürchteter Tat und dem verbrecherischen Willen zu schließen. Dies erklärt, warum im nationalsozialistischen Strafrechtsdenken die Täterkategorien – der "Gewohnheitsverbrecher", der "Volksschädling", der "Volksverräter", der "Korruptionsverbrecher" – so großes Gewicht haben. Auf diese Tätertypen nehmen strafrechtliche Regelungen im NS explizit Bezug.

Wie stark das Willensstrafrecht auch Elemente des Täterstrafrechts integrierte, verdeutlicht Mezgers Akzentuierung des Konzepts der "Lebensführungsschuld", das auf dem Charakter des Täters aufbaut. Mezger schreibt: "Schuld ist Tat-Schuld, aber auch Lebensführungs-Schuld, und deshalb richtet sich die Strafe nicht nur nach der Einzel-Tat, sondern auch nach der Persönlichkeit des Täters, soweit aus ihr gegen den Täter ein Vorwurf erhoben werden kann."

Eine Konsequenz des Willensstrafrechts war, dass alle an einer Straftat Beteiligten im gleichen Ausmaß zu bestrafen sind. In der Bestimmung des Strafausmaßes sollte der Unterschied zwischen Beihilfe zur Tat, Anstiftung zur Tat und erfolgreicher Tatausführung entfallen. Maßgeblich wurde ein "weiter Täterbegriff", der alle an einer Straftat Beteiligten unter den "verbrecherischen Gesamtwillen" subsumierte.

"Nullum crimen sine poena" und die Aufhebung des Analogieverbots

Die Konzentration auf größtmögliche Abschreckung bedingte, dass im Nationalsozialismus ein weiterer wesentlicher Grundsatz der bisherigen Strafrechtspraxis, das Analogieverbot, aufgegeben wurde. Das Verbot der Analogie im Strafrecht (sofern die Analogie zur Neuschöpfung oder Ausdehnung von Straftatbeständen oder zur Verschärfung von Strafen beiträgt), bildet ein Kernelement des liberalen Strafrechts. Gerade aber die Schaffung neuer Straftatbestände und harte Strafen waren erklärte Ziele des NS-Staates.

Selbst die amtliche Strafrechtskommission unter der Leitung des Justizministers Gürtner empfahl 1935 die allgemeine Zulassung der Analogie im Strafrecht, womit der Grundsatz Paragraf 2 des seit 1871 geltenden Strafrechts "Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde" (nulla poena sine lege) außer Kraft gesetzt wurde.

Dieses Prinzip, das eigentlich die Bürger und Bürgerinnen vor richterlicher Willkür schützen soll, galt den NS-Theoretikern als die "Magna Charta des Verbrechertums". Denn eine solche Voraussetzung ermögliche es einem Täter, der Strafe durch eine unzureichende Fassung eines Gesetzes oder durch eine Lücke im Gesetz zu entgehen. Dementsprechend wurde die Formel nullum crimen, nulla poena sine lege (kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz) von den NS-Juristen in den Grundsatz nullum crimen sine poena (kein Verbrechen ohne Strafe) umgeformt. Jede Form von Verbrechen, selbst wenn diese nicht einem gesetzlich festgelegten Delikt entspreche, verlange nach Strafe und Sühne.

Kein Verbrechen ohne Strafe

Der Vorschlag der amtlichen NS-Strafrechtskommission zur Neuformulierung des Paragraf 2 des Strafgesetzbuches lautete: "Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesunder Volksanschauung Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft."

Mit der Auflage, "gesunde Volksanschauung" durch "gesundes Volksempfinden" zu ersetzen, wurde diese Formulierung dann Teil des Artikels 1 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935 (Reichsgesetzblatt RGBL. I, 839).

Dem Richter wurde nun die Aufgabe übertragen, den hinter einer Regelung stehenden Rechtsgedanken zu erkennen und auf analoge Tatbestände zu übertragen. Damit erweiterte sich der richterliche Ermessensspielraum erheblich. Einschränkend wurde nur verlangt, dass der Richter nicht zu stark abstrahieren dürfe. Es gelte, den in einer Strafnorm enthaltenen Grundgedanken so zu verallgemeinern, dass sich die konkrete Verbindung mit dem gesetzlichen Tatbestand nicht völlig löse. Dem Richter wurde somit zugestanden, relativ eigenständig zu befinden, was als strafwürdige Tat zu gelten hatte – solange er sich im Rahmen der völkischen Sittenordnung bewegte und dem "gesunden Volksempfinden" Rechnung trug.

Die Wiedereinführung der Ehrenstrafe und die Zweispurigkeit der strafrechtlichen Maßnahmen (Sicherungsverwahrung)

Treue und Ehre waren leitende Ideen des neuen Strafrechtsdenkens. Folglich sprachen sich eine Reihe von NS-Juristen für die Wiedereinführung der Ehrenstrafe aus. Der gewichtigste Vorbehalt gegen die Ehrenstrafe – dass der Staat nicht über Gesinnungen richten dürfe – sei, wie der NS-Theoretiker Georg Dahm betonte, mit der Überwindung des liberalen Rechtsdenkens obsolet geworden. In einem System, in dem "Recht und Sittlichkeit, Strafrecht und Volksanschauung zusammenwachsen", sei die Ehrenstrafe "nicht hinwegzudenken (...), denn jede wirkliche Gemeinschaft setzt Führung und Gefolgschaft, also Treue und Ehre ihrer Mitglieder, voraus".

Was genau war mit "Ehre" gemeint? Dahm bleibt eine genaue Definition schuldig und begnügt sich letztlich mit der vagen Formulierung, dass die Ehre ein Wertbegriff und "Ausdruck des jeder Gemeinschaft Wesentlichen" sei. Der Begriff der Ehre mutierte zu einer pathetischen Formel, mit der eine dem NS-Regime dienliche persönliche Haltung der Selbstverpflichtung eingemahnt und kultiviert wurde. Dahms Erklärung der mit der Ehrenstrafe verknüpften Sanktionswirkungen unterstreicht dies. Die Ehrenstrafe entspreche einer "politischen Funktion der Strafe", da sie "das Mittel zur Erziehung des Volkes" verkörpere, indem sie "von besonderer Bedeutung für alle Verbrechen (ist), deren Bestrafung eine symbolhafte und integrierende Bedeutung hat".

"Gegen das Volk"

Die Verlagerung auf den Begriff der Ehre hatte damit zu tun, dass im nationalsozialistischen Strafrechtdenken die Rechtswidrigkeit nicht eine Verletzung eines Rechtsgutes darstellte, sondern die Verletzung einer sittlichen Pflicht gegenüber der Gemeinschaft.

Die Betonung von Ehre und Treue hatte auch Konsequenzen für die Neuformulierung von Straftatbeständen, die besonders vom Reichsrechtsamt der NSDAP forciert wurden. So wurde die Kategorie der Verbrechen "gegen das Volk in seinen Substanzwerten" geschaffen, die den Volksverrat, den Verrat an der NS-Bewegung, aber auch die Zersetzung von Volkskraft und die Untergrabung der NS-Weltanschauung umfassten und die in der ideologisch kontrollierten Rechtsprechung des Dritten Reiches eine verhängnisvolle Rolle spielten. Gravierende Folgen hatte auch die Verbindung von Rassenideologie und Strafrecht, denn zu den Verbrechen gegen "Rasse und Volkskraft" zählten die "Angriffe gegen die biologischen Substanzwerte", also "die unmittelbaren Angriffe auf Erbgut, Fortpflanzung und Volksgesundheit". Als kriminelle Straftat galt gleichfalls die "Vermischung des Rasseerbguts mit artfremdem Erbgut und die Fortpflanzung kranken Erbgutes".

Da im NS-Strafrecht die "Tilgung der sittlichen Verwerflichkeit und Sicherung gegen soziale Gefährlichkeit" zentral waren, sprachen sich eine Reihe von NS-Strafrechtstheoretikern für die sogenannte "Zweispurigkeit" der strafrechtlichen Sanktionen aus: Neben die Strafen im klassischen Sinn traten die Sicherungsmaßregeln. Dies waren strafrechtliche Maßnahmen, die zwar tatbezogen waren, die aber insbesondere auf die künftige Verbrechensverhütung "nach der Persönlichkeit des Täters und seiner sozialen Gefährlichkeit" zielten. Zu diesen "Maßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung" zählten die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt, die Unterbringung in einem Arbeitshaus, die Entmannung (Kastration) gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher, die Untersagung der Berufsausübung und die Sicherungsverwahrung.

Sicherungsverwahrung und Schutzhaft

Die Sicherungsverwahrung richtete sich gegen sogenannte "Gewohnheitsverbrecher" und trat als Maßregel neben die Strafverschärfung für Gewohnheitsverbrecher. Bei Vortaten oder Vorverurteilungen konnten Gewohnheitsverbrecher mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft werden; wenn die neue Tat ein Verbrechen darstellte, drohte Zuchthausstrafe bis zu 15 Jahren. Handelte es sich aber um "gefährliche Gewohnheitsverbrecher", so konnte der Richter qua Gesetz zeitlich unbegrenzte Sicherungsverwahrung anordnen (Grundlage war das Gesetz über gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln zur Sicherung und Besserung vom 24. November 1933).

Die Sicherungsverwahrung erfolgte in der Regel so lange, wie der Zweck dies erforderlich machte; da sie zeitlich nicht begrenzt war, konnte sie lebenslangen Freiheitsentzug bedeuten. Die Idee war, die Volksgemeinschaft über den Zeitpunkt der Strafverbüßung hinaus vor weiteren Verbrechen und vor Wiederholungstätern zu schützen. Vorgesehen war eine dreijährige Nachprüfung. Die Entlassung konnte aber widerrufen werden. Wie Mezger bemerkte: "Die, wenn nötig lebenslange, Sicherungsverwahrung ist eines der wichtigsten Kampfmittel des neuen Staates gegenüber dem gefährlichen Gewohnheits- und Berufsverbrechertum."

Laut Mezger wurde in den Jahren 1933 bis 1936 insgesamt über 6.160 Personen Sicherungsverwahrung verhängt; mit Stichtag 1. Jänner 1937 befanden sich 3.258 Gefangene (3.127 Männer, 137 Frauen) in Sicherungsverwahrung.

Wichtig ist, den Unterschied zwischen der Sicherungsverwahrung und der Schutzhaft zu beachten. Die Sicherungsverwahrung war Teil der strafrechtlichen Maßregeln zur Sicherung und Besserung von Tätern und somit eine Maßnahme der Justiz, die von den Gerichten ausgesprochen wurde. Die Schutzhaft, die eine Einweisung in ein Konzentrationslager bedeutete, war hingegen eine kriminalpolizeiliche Maßnahme zur Verteidigung der Volksgemeinschaft gegenüber Volks- und Staatsfeinden und fiel in den Zuständigkeitsbereich der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Die Schutzhaft war in Paragraf 1 des Gestapo-Gesetzes als "Zwangsmaßnahme der Geheimen Staatspolizei" definiert, die "zur Abwehr aller volks- und staatsfeindlichen Bestrebungen" angeordnet werden konnte – und zwar gegen alle Personen, die eine Gefahr für Volk und Staat bedeuteten. Die Schutzhaft wurde rein auf Basis eines Schutzhaftbefehls des Geheimen Staatspolizeiamtes angeordnet. Das gesamte Verfahren und die Handhabung der Schutzhaft bewegte sich außerhalb der Justiz. (Herlinde Pauer-Studer, 6.3.2019)