Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat einen viralen Hit geliefert. Das Video ihres Schlagabtauschs mit SPÖ-Abgeordneten vergangene Woche während der Nationalratsdebatte über den Karfreitag wurde tausende Male angeklickt und geteilt, auch auf der STANDARD-Website. "Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Na sorry, die Wirtschaft schafft die Arbeit. Bitte merkt's euch das einmal", sagte Hartinger-Klein wütend in Richtung von Zwischenrufern aus den Reihen der SPÖ. Dafür erntete sie Kritik und Spott.

Der Künstler Kurt Razelli nimmt den Sager der Sozialministerin aufs Korn.
KURT RAZELLI

Ein dabei bisher kaum diskutierter Aspekt betrifft die verwendeten Begrifflichkeiten: Hartinger-Klein meinte nämlich offensichtlich Unternehmen – sie schaffen in den Augen der Ministerin die Jobs –, verwendete dafür allerdings den Begriff Wirtschaft.

Ihre Kritiker gingen auf diesen Punkt interessanterweise auch nicht ein, im Gegenteil übernahmen sie sogar das Wording eins zu eins. Die SPÖ kritisierte Hartinger-Klein: Nun sei ganz klar, auf welcher Seite die Arbeitsministerin stehe, "nämlich ausschließlich auf der Seite der Wirtschaft", twitterten die Sozialdemokraten vom offiziellen Parteiaccount.

Aber wie und warum wurde der Begriff Wirtschaft zum Synonym für Unternehmen? Die Gleichsetzung ist nämlich auf mehreren Ebenen falsch.

Wofür das Wort Wirtschaft wirklich steht

Der Duden definiert das Wort als "Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen, die sich auf Produktion und Konsum von Wirtschaftsgütern beziehen"; gemeint ist also der ganze Wirtschaftskreislauf sowie alle seine Akteure. Und selbst die alternativ angebotenen Bedeutungserklärungen im Duden zeigen, dass es sich nicht um austauschbare Begriffe handelt: So könne die Wirtschaft noch eine Kurzform für Gastwirtschaft, Landwirtschaft, aber auch Hauswirtschaft sein, für Unternehmen steht das Wort jedoch nicht.

Aber auch Ökonomen verstehen unter Wirtschaft etwas anderes: Der Begriff umfasse alle handelnden Subjekte, Unternehmen ebenso wie Haushalte, Arbeitnehmer und den Staat, sagt Martin Kocher, der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien. Immer, wenn sich diese Gruppen am Markt treffen und interagieren – sei es am Markt für Güter und Dienstleistungen, sei es am Arbeits- oder Kapitalmarkt –, könne man von Wirtschaft sprechen.

Zu sagen, die Wirtschaft schaffe die Jobs, ist also eigentlich richtig, aber eine Tautologie. Auch die SPÖ gebraucht den Begriff tautologisch.

Warum aber hat sich in der Politik und in vielen Medien der Begriff Wirtschaft für Unternehmer eingeschlichen? Kocher selbst glaubt, dass eine alte Werbekampagne der Wirtschaftskammer mit dem Slogan "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut" einen Beitrag dazu geleistet hat.

Ein Slogan, der ankommt

Die Kampagne begann im Jahr 2004. Martin Weinand ist einer der Werbefachleute, die seinerzeit involviert waren: "Die Kampagne sollte damals die österreichische Bevölkerung weit über Unternehmer hinaus ansprechen", sagt er. "Wir wollten auch an Arbeitnehmer, an Studierende appellieren." Man habe daher statt von Unternehmen von Wirtschaft gesprochen und mit dem Begriff "gespielt", weil sich damit alle irgendwie mitgemeint fühlen könnten.

Die neue Regelung nütze "der Wirtschaft und den Arbeitnehmern", sagte Sozialministerin Hartinger-Klein am Ende ihrer Rede.
Foto: APA

"Wobei die Menschen angesichts der Wirtschaftskammer als Auftraggeber klar verstanden haben, worum es geht: Es ging mit der Kampagne darum aufzuzeigen, warum Österreich ein Interesse an einem guten Umfeld für seine Arbeitgeber haben muss."

Roswitha Hasslinger, langjährige Geschäftsführerin des Gallup-Instituts in Österreich, hat die Wirkung des Spruches damals in der Bevölkerung abgetestet. Sie sagt, er sei gut angekommen. "Hätte der Spruch gelautet 'Geht es den Unternehmen gut, geht es allen gut', dann hätte man das gar nicht abtesten müssen. Das hätte nicht funktioniert."

Der Begriff Unternehmer polarisiert in der Bevölkerung, sagt die Marketingexpertin. "Unternehmer stehen in den Köpfen mancher Menschen für die Reichen." Werbung dürfe nicht lügen, nicht in die Irre führen. "Aber Werbung muss auch nicht alle Fakten auf den Tisch legen", so Hasslinger.

Die Wirtschaftskammer änderte ihren Namen

Der damals in die Kampagne involvierte Werbeprofi Weinand macht auf noch einen Punkt aufmerksam. Die Wirtschaftskammer habe es mit ihrer Namensgebung insgesamt geschafft, den Begriff Wirtschaft für sich gut zu nutzen: Sie nennt sich ja nicht Unternehmerkammer, sondern verwendet den breiten Begriff.

Mit der gleichen Logik freilich könnte sich auch die Arbeiterkammer in Wirtschaftskammer umbenennen: Es wäre nicht mehr oder weniger gedeckt, wenn man auf die vorher erwähnten Definitionen abstellt. Die Wirtschaftskammer selbst übrigens hieß einst Handelskammer und hat sich erst 1993 umbenannt.

Das Wording in Deutschland

Allerdings gilt, dass nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland Wirtschaft oft als Synonym für Unternehmen verwendet wird, sagt der Ökonom Gabriel Felbermayr. Der Österreicher kennt beide Welten, er leitet das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Warum sich der Begriff in der deutschen Politik eingebürgert hat, wo es keine Wirtschaftskammer gibt?

Felbermayr kann es nur so erklären: "Ich glaube, es hängt stark damit zusammen, dass bei den Wirtschaftspolitikern vor allem eine Gruppe präsent ist, weil sie für ihre Interessen werben: die Unternehmen und ihre Verbände, die im Ministerbüro stehen." Meist, wenn über Wirtschaft geredet werde, gehe es um Unternehmen, und dadurch seien die beiden Wörter irgendwie durcheinandergeraten, so der Ökonom. (András Szigetvari, 7.3.2019)