Die neueste Provokation aus der Herrengasse: Ausreise- statt Erstaufnahmezentrum.

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Wieder sorgt Herbert Kickl mit einer Amtshandlung für Aufsehen, die faktisch wenig verändern wird, aber eine explosive Symbolik aufweist: Die bisherigen Erstaufnahmezentren für Asylsuchende heißen seit 1. März Ausreisezentren. Wie so oft fällt der Innenminister eher durch rhetorische Angriffe auf die Grundrechte von Minderheiten als durch sinnvolle politische Maßnahmen auf.

Was angesichts der neuesten Provokation aus der Herrengasse untergeht, sind ganz praktische Probleme, die sowohl Asylsuchende als auch Österreicher betreffen: 700 Lehrlingen mit laufenden Asylverfahren droht die Abschiebung, alarmierte Mitte der Woche Oberösterreichs grüner Landesrat Rudi Anschober. Das ist nicht nur für die Betroffenen eine Bedrohung ihrer neu errichteten Existenz. Auch die Betriebe und die öffentliche Hand haben am Ende nichts gewonnen, wenn junge Menschen im Zeichen einer erbarmungslosen Asylpolitik aus ihrem Weg zur Fachkraft gerissen werden.

Entgleiste Innenpolitik

Diese zwei aktuellen Beispiele sind Symptome einer entgleisten Innenpolitik, welche nicht einmal mehr dem Wohl der Bevölkerung mit österreichischem Pass, sondern nur noch dem Unwohl der anderen dient. Dem blauen Innenminister und seinen Parteifreunden scheinen Verbesserungen, selbst für die eigene Kernwählerschaft, zweitrangig zu sein. Solange die als unerwünscht betrachteten Migranten ausgiebig schikaniert, herabgewürdigt und ihrer Rechte beraubt werden können, dürfen Maßnahmen zur echten Verbesserung der innenpolitischen Lage auch schon mal hintanstehen.

Deshalb soll es eine rein auf Verdachtsfällen beruhende Sicherungshaft geben, wohingegen Pläne zur effektiven Integration und zur Unterstützung psychisch belasteter Flüchtlinge auf sich warten lassen. Verbrechen gegen Frauen sind als Argument willkommen, um das einseitige Märchen der importierten Gewalt aufzufrischen, bei Frauenhäusern und anderen Hilfsangeboten wird jedoch gespart.

Verrohtes Klima

Dass es den FPÖ-Ministerien gelingt, ihre schwache Bilanz an wirksamen Maßnahmen mit der Gängelei von Geflüchteten zu kaschieren, liegt auch an einem verrohten Klima in Teilen der Gesellschaft. Denn nicht nur in den blauen Regierungsressorts sorgen Rassismus und Vorurteile für vernunftwidrige Entscheidung. Das zeigte kürzlich etwa der enttäuschte Versuch des AMS, 40 hochqualifizierte Personen mit Migrationshintergrund aus Wien im Westen der Republik an Betriebe zu vermitteln, die dringend Fachkräfte benötigen: Nur zwei von mehr als 60 Bewerbungen führten letztlich zu einer Einstellung in den ausgewählten Firmen, welche zuvor dutzende offene Stellen beklagten. Die Begründungen der Betriebe für den Misserfolg waren vage und ausweichend.

Sachliche Diskussionen über strukturellen Rassismus in Österreich sind schwierig geworden, seit die Stimmung gegenüber Geflüchteten auf dem Gipfel der Fluchtkrise 2015 zu kippen begann. Allzu gerne wird der Aspekt der Fremdenfeindlichkeit als Totschlagargument in migrationspolitischen Debatten dargestellt. Dabei wäre es für alle Seiten sinnvoll, wieder zu hinterfragen: Wo steuert eine Gesellschaft hin, in der Aggressionen gegen Geflüchtete einen höheren Stellenwert haben als das Allgemeinwohl? (Robert Jühlke, 6.3.2019)