In der Hauptstadt Algier demonstrierten am Dienstag vor allem Studierende.

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Auch drei Wochen nach dem Beginn der ersten Demonstrationen gegen die umstrittene Kandidatur von Algeriens Staatschef Abdelaziz Bouteflika bei der für April geplanten Präsidentschaftswahl halten die Proteste gegen das Regime unvermindert an. Und sie bekommen weiter Zulauf. Studenten- und Schülerverbände hatten bereits vorige Woche an den Universitäten und Gymnasien des Landes mobilgemacht und für Dienstag abermals zu landesweiten Großdemonstrationen gegen die Kandidatur des gesundheitlich angeschlagenen 82-Jährigen aufgerufen. Mit Erfolg – denn die durch die Straßen ziehende Menschenmasse wuchs nochmals beträchtlich an.

Allein in der Hauptstadt Algier versammelten sich Zehntausende und skandierten Parolen gegen das Regime und die immer grotesker werdende Wahlposse. Ein Großaufgebot der Polizei wurde bereits am frühen Morgen in der fast schon zu einem traditionellen Protestort gewordenen Hauptstraße Didouche Mourad im Stadtzentrum postiert und blockierte die Prachtallee an der Place Audin. Bis zum späten Nachmittag brüllte sich Algeriens Jugend den Frust von der Seele und machte klar, dass sich die weiter wachsende Protestbewegung keineswegs mit halbherzigen Zugeständnissen des Regimes zufriedengeben wird. Bouteflikas Rückzug von der Macht scheint unausweichlich.

Ein Leben lang Bouteflika

"Algerien ist kein Königreich, nein zum fünften Mandat" oder "Ich bin 20 Jahre alt und kenne nur dich als Präsidenten" – eine Anspielung auf die inzwischen 20-jährige Amtszeit Bouteflikas – war auf Plakaten einer Gruppe von Medizinstudenten zu lesen, die in ihren weißen Kitteln auf dem Platz vor der Grande Poste aufgetaucht war.

Proteste fanden auch in Mostaganem und Oran im Westen des Landes sowie in Constantine, Annaba und Bejaia östlich von Algier statt. In mehreren Städten setzte die Polizei Tränengas gegen die dennoch friedlichen Menschenmassen ein. Auch für Freitag wird abermals landesweit mobilisiert.

Während damit der Druck der Straße auf Bouteflikas Clan im Machtapparat unverändert anhält, greifen Teile der jugendlichen Bevölkerung inzwischen zunehmend zu kreativen, aber nicht unumstrittenen Protestformen. Zuletzt waren hunderte Menschen Aufrufen in sozialen Netzwerken gefolgt und hatten im Universitätskrankenhaus von Genf in der Schweiz angerufen und sich nach Bouteflikas Gesundheitszustand erkundigt. Dieser ließ sich vor zehn Tagen für Routineuntersuchungen dorthin ausfliegen und ist seither nicht wieder nach Algier zurückgekehrt.

Ton- und Videoaufnahmen dieser teils absurden Gespräche mit dem Krankenhauspersonal kursieren zuhauf im Internet, sorgten aber auch für Kritik. Der Lokalpolitiker Reda Boudraa von der Oppositionspartei RCD appellierte an die Jugend, das Krankenhaus nicht anzurufen, denn die Leitungen seien auch für Notfälle gedacht. Die Initiative gewinnt dennoch weiter an Dynamik.

Ernsthafter geht des derweil innerhalb des Regimes zu. Abermals machte der mächtige Armeechef Ahmed Gaïd Salah am Dienstag mit einer kryptischen Ansprache von sich reden, in der er die Bedeutung der "Sicherheit und Stabilität des Landes" betonte und erklärte, der Sicherheitsapparat wolle den Urnengang im April unter allen Umständen absichern.

Mehrere Rücktritte

Bisher hatte sich Gaïd Salah zurückhaltend, aber auch widersprüchlich zu den Protesten geäußert. Eine härtere Gangart des Sicherheitsapparates gegenüber den Demonstrationen gilt mittelfristig als nicht ausgeschlossen, gegenwärtig aber als unwahrscheinlich.

Unterdessen bröckelt die Unterstützerfront Bouteflikas unaufhörlich. Während im stramm hinter ihm stehenden Unternehmerverband FCE immer mehr Rücktritte vermeldet werden, trat am Wochenende der ehemalige Landwirtschaftsminister Sid Ahmed Ferrukhi aus der Regierungspartei FLN aus und legte sein Abgeordnetenmandat nieder.

Widerstand gegen Bouteflika regt sich auch vermehrt im staatlich kontrollierten Gewerkschaftsverband UGTA, dessen Chef Abdelmajid Sidi Saïd schon seit Monaten für Bouteflikas fünftes Mandat wirbt. Mehrere Lokalgewerkschaften stellten sich in den letzten Tagen öffentlich gegen den UGTA-Chef. (Sofian Philip Naceur, 6.3.2019)