Beim Interview handelte sich DER STANDARD eine Rüge der Frauenministerin ein: "Einem Mann würde man so eine Frage nicht stellen!", mahnte Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), nach der konkreten Bügelaufteilung bei sich zu Hause befragt. Nur so viel will sie "on the records" preisgeben: "Diese Frage gehört am besten vor dem ersten Kind geklärt."

STANDARD: ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler hat unlängst festgehalten, dass es hierzulande kaum noch patriarchale Strukturen gebe – teilen Sie diese Auffassung?

Bogner-Strauß: Die Betonung lag auf "kaum noch". Wir sind dabei, gesellschaftlich umzudenken, aber natürlich gibt es noch patriarchale Strukturen. In meiner Volksschule war ich noch eine von wenigen, die aufs Gymnasium durfte – weil mein Vater das gefördert hat. Das ist besser geworden. Meiner Meinung nach wird aber bei der Wahl des Schultyps noch immer ein Unterschied zwischen Buben und Mädchen gemacht.

Juliane Bogner-Strauß will bei den nächsten Budgetverhandlungen mit dem Finanzminister mehr Geld für von Gewalt betroffene Frauen aushandeln.
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STANDARD: Apropos Väter: Bei der FPÖ-Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Papamonat waren Sie zögerlich. Warum? Weil das nur Symbolpolitik ist?

Bogner-Strauß: Ich habe immer betont, dass jede Maßnahme, die die Väterbeteiligung steigert, wichtig und willkommen ist. Erste Vorstudien zur Evaluierung des Kindergeldes zeigen, dass jene Väter, die den Papamonat nutzen, danach seltener in Väterkarenz gehen. Ich wünsche mir aber, dass die Väter öfters in Karenz gehen und die Mütter rascher in ihren Beruf zurückkehren können, um den noch immer weit auseinanderklaffenden Gender-Pay-Gap zu schließen.

STANDARD: Wollen Sie also erst die Evaluierung abwarten?

Bogner-Strauß: Die Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes und auch die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung können natürlich noch Einfluss auf eine mögliche Regelung haben. Da ich aber prinzipiell alles begrüße, das Väter dazu bringt, sich der Kinderbetreuung zu widmen, werden wir das zeitnah abschließen. Wir sind beim Rechtsanspruch für den Papamonat in den finalen Verhandlungen.

STANDARD: Wie wollen Sie die Väterkarenz attraktiver machen? Meistens gehen ja die Frauen, weil sie weniger verdienen.

Bogner-Strauß: Einspruch! Vor dem ersten Kind gibt es keinen großen Gender-Pay-Gap. Das belegt die neueste Studie der Princeton-Universität, in der auch Österreich untersucht wurde. Die Kluft wird danach groß. Auch zehn Jahre nach dem ersten Kind liegt der Lohnverlust bei 50 Prozent – und zwar egal wie lange sie zu Hause war. Relevant ist nur, wie viele Stunden man nach der Rückkehr aus der Karenz arbeitet. Es hängt also mit der Teilzeit zusammen.

"Was im realen Leben nicht erlaubt ist, geht auch im virtuellen Raum nicht", findet die Frauenministerin.
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STANDARD: Trotzdem: Was wollen Sie jetzt tun, damit sich die Kinderbetreuungszeiten angleichen? Könnte man das Kinderbetreuungsgeld noch adaptieren?

Bogner-Strauß: Wie gesagt, wir schauen uns zuerst die Evaluierung an. Aber ich weise darauf hin: Schon jetzt sind 20 Prozent der Bezugsdauer beim Kindergeld nicht auf den Partner übertragbar – und trotzdem wird das Geld nicht abgeholt. Frauen müssen von den Männern wirklich einfordern, dass man sich die Pflichten rund um die Kinderbetreuung aufteilt, und Männer sollten sich von sich aus stärker hierbei einbringen.

STANDARD: Nicht wenige Millennials wollen überhaupt nicht mehr Vollzeit arbeiten, um sich nicht aufzureiben. Teilen Sie den Eindruck?

Bogner-Strauß: Durchaus – das gilt in dieser Generation aber für Frauen wie für Männer. Das Positive an diesem Lebenskonzept könnte sein: Beide stecken etwas zurück, um für die Familie da zu sein. Aber ich denke, wir müssen früher ansetzen und sensibilisieren: Indem wir Frauen sagen, mit Teilzeit droht nicht nur deutlich weniger Lohn, sondern auch weniger Pension. Denn knapp die Hälfte der arbeitenden Frauen macht Teilzeit, aber nur elf Prozent der Männer.

STANDARD: Die ÖVP-Frauen, deren Chefin Sie sind, fordern ein verpflichtendes Pensionssplitting. Nach der Geburt eines Kindes sollen die Pensionsversicherungsbeiträge antragslos auf beide Eltern aufgeteilt werden. Sie wollten das in der Koalition diskutieren. Was wurde daraus?

Bogner-Strauß: Wir sind mit Expertinnen und Experten im Gespräch. Fest steht: Das freiwillige Pensionssplitting gibt es seit zehn Jahren, wird aber kaum in Anspruch genommen, im Vorjahr gab es nur 412 Anträge. Das ist ein großer Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren, aber immer noch zuwenig.

Bogner-Strauß will bei der Regierungsspitze noch Überzeugungsarbeit in Sachen automatisches Pensionssplitting leisten.
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STANDARD: Wird das automatische Splitting noch in dieser Legislaturperiode kommen?

Bogner-Strauß: Im Sinne der Frauen würde ich mir das sehr wünschen – es gilt freilich noch Überzeugungsarbeit zu leisten, aber ich gebe mein Bestes.

STANDARD: Sie haben seit Jahresbeginn mehrmals mehr Plätze in Frauenhäusern zugesichert. Die Frauenhäuser sprechen von einem Mehrbedarf von 100 Plätzen. Gibt es schon konkrete Ausbaupläne?

Bogner-Strauß: Mir geht es um alle Bereiche, wo Frauen betreut werden müssen: um Frauenhäuser, Übergangswohnungen, Beratungsstellen. Grundsätzlich ist das aber Ländersache, und ich habe unterschiedliche Informationen aus den Ländern und von den Frauenhäusern bekommen. Es gibt keine einheitliche Zählweise, daher läuft die konkrete Bedarfserhebung noch. Ende März wollen wir bei einem Gewaltgipfel mit allen zuständigen Landesrätinnen eine Lösung finden, und hier nehme ich heuer bis zu 500.000 Euro mehr in die Hand.

STANDARD: In Deutschland werden in den nächsten Jahren 100 Millionen für Ausbau von Frauenhäusern und Gewaltprävention investiert. Hinken wir da nicht hinterher?

Bogner-Strauß: Wie gesagt: Frauenhäuser sind nicht meine Kompetenz, sondern die der Länder. Als Regierung stellen wir aber mehr Mittel für den Opferschutz bereit. Das ist ein ressortübergreifendes Thema. Das Außenministerium nimmt eine Million in die Hand, um gegen Genitalverstümmelung vorzugehen. Auch das Justizressort unterstützt viele Frauenberatungsstellen. Wenn man alles subsumiert, kommt doch einiges zusammen. Aber ich werde mich bei den nächsten Budgetverhandlungen dafür starkmachen, dass es mehr Geld für betroffene Frauen gibt.

STANDARD: Viele Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, sind von virtuellen Hassbotschaften betroffen. Sie auch?

Bogner-Strauß: Auch bei der medialen Berichterstattung sind mir anfangs die Stereotype, mit denen Politikerinnen belegt werden, stark aufgefallen.

STANDARD: Klischees und Stereotype sind das eine, aber Hassbotschaften erreichen doch eine ganz andere Dimension bei der Herabwürdigung von Frauen.

Bogner-Strauß: Das eine ist Diskriminierung, das andere sind bedrohliche Botschaften, aber beides trifft uns in der Psyche. Deswegen möchte ich beides diskutieren. Ich habe auch Gespräche mit Sigi Maurer und anderen Betroffenen geführt – und ich persönlich vermittle meinen Kindern immer: Was im realen Leben nicht erlaubt ist, geht auch im virtuellen Raum nicht. Hier möchte ich ansetzen.

STANDARD: Wie gehen Sie mit solchen Botschaften um?

Bogner-Strauß: Ich habe das so für mich gelöst, dass ich privat keine Accounts von sozialen Netzwerken habe. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich keine Medien vor dem Einschlafen konsumiere, weil es mich manchmal zu sehr belastet. Gern in der Früh, dann habe ich Zeit, das zu verarbeiten. Fest steht, dass wir von Hassnachrichten betroffene Frauen Anlaufstellen bieten müssen. Ein erster Schritt war, das bestehende Angebot auf der Website des Bundeskanzleramtes zu bündeln.

STANDARD: Die Petition #Fairändern fordert eine verpflichtende Bedenkzeit vor einer Abtreibung und ein Verbot von Spätabtreibung, die derzeit straffrei ist, wenn ein Kind mit schwerer Behinderung geboren werden könnte. Haben Sie Verständnis dafür, dass die Petition von mehreren ÖVP- und FPÖ-Politikern unterschrieben wurde?

Bogner-Strauß: Da antworte ich nur mit einem Satz: Ich habe diese Petition nicht unterschrieben und werde sie nicht unterschreiben. (Günther Oswald, Nina Weißensteiner, 8.3.2019)