Idyllischer Blick auf die Salzburger Altstadt.

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Ohne die Menschenmassen in der Getreidegasse zu sehen.

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"Die Gegenden von Salzburg, Neapel und Konstantinopel halte ich für die schönsten der Erde." Der angebliche Ausspruch Alexander von Humboldts, mit dem Salzburg lange Zeit warb, ist gut erfunden, aber er trifft einen Punkt. Es gibt nicht viele mittelgroße Tourismusstädte im deutschen Sprachraum, die den Zweiten Weltkrieg ähnlich glimpflich überstanden haben wie Salzburg. Heidelberg oder Regensburg wären noch zu nennen, aber sie haben nicht die landschaftliche Einbettung, mit Alleen, einer weiten Stadtebene und einer dramatisch sich aufbauenden Bergkulisse im Hintergrund. Salzburg lockt mit Mozart, verfügt über Festspiele im Sommer, Christkindlmärkte im Winter – und ist verkehrsgünstig gelegen.

Die Lage der Stadt macht sie zum begehrten Ziel, nicht nur von Nächtigungsgästen, sondern vor allem auch von Tagestouristen. Neun Millionen sind es jährlich, mit etwa 200.000 Ein- und Ausfahrten von Reisebussen – eine wesentliche Quelle des Salzburger Verkehrschaos. Nach der Einschätzung von Touristikern ist die Stadt damit in der "roten Zone" gelandet: Der Tourismus überfordert die Kapazitäten der Stadt und ihrer Bewohner, diese werden zum Opfer von Overtourism.

Einfahrt zu billig

Die aktuelle Situation fordert, so möchte man meinen, die Planungsinstrumente einer aktiven Kommunalpolitik. Doch nichts geschieht; dabei ist das Problem seit Jahrzehnten bekannt. Während Florenz die Einfahrtsgebühren kontinuierlich angehoben hat – sie lagen bereits vor drei Jahren bei 300 Euro –, begnügt man sich in Salzburg mit touristisch paradiesischen 24 Euro. Selbst in Palermo muss man für Buseinfahrten tiefer in die Tasche greifen. Salzburg dagegen tut alles, um Zwei-Stunden-Stadt zu bleiben; das einzige touristische Konzept, das sich dem Bürger erschließt, lautet: wahllos vollrammeln.

Nach Jahrzehnten ohne jede Entscheidung ist mittlerweile der Point of no Return erreicht. Zu viele haben sich auf das Geschäft mit den Tagestouristen eingestellt, leben vom Verkauf von Mozartkugeln, bescheidenen Imbissen und Souvenirs. Auch an dieser Mikroökonomie hängen Arbeitsplätze und Investitionen, die die Stadtpolitik willig als Beschränkung der eigenen Handlungsmöglichkeiten akzeptiert. Hätte man bereits vor zwei Jahrzehnten eine kontinuierliche substanzielle Erhöhung der Einfahrtsgebühren beschlossen und kommuniziert, dann hätte sich die Problematik abmildern lassen. Doch das erfordert Weichenstellungen und provoziert Widerstand, und beides scheut eine zaudernde Stadtregierung – mit dem derzeitigen Stadtoberhaupt und langjährigen Ressortverantwortlichen Harald Preuner (ÖVP) an der Spitze – wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser.

Einfach weiterwurschteln

Das Salzburger Weiterwurschteln setzt sich in der Planungspolitik in grüner Verantwortung (Bürgerliste) fort. Die Stadt wächst, schützt gleichzeitig ihren Grüngürtel im Süden und sorgt damit für enormen Druck auf das noch verfügbare Bauland. Die auch politisch grünen Bastionen im Süden sind renitent; da hier größere – freilich auch teurere – Bauprojekte nicht durchsetzbar sind, finden diese im gefügigeren Norden statt. Dass damit die bereits stark überlastete Hauptverkehrsader zur deutschen Grenze hin weiter strapaziert wird, wird ebenso hingenommen wie eine fehlende Verkehrslösung und das notorische Überschreiten von Luftgütemesswerten. Die Messstation im stark belasteten Lehen liegt idyllisch – abseits von Verkehrsadern und selbst einer dichteren Bebauung – im einzigen größeren Park des Stadtteils und an der Salzach.

Wer wie ich in dieser Stadt aufgewachsen ist und nach wie vor hier lebt, erinnert sich mit verklärender Nostalgie an die Aufbruchstimmung in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts, als engagierte Bürger die Salzburger Bürgerliste – sie ist organisatorisch mittlerweile ein Teil der österreichischen Grünen – zur ersten erfolgreichen Grünbewegung Österreichs und Johannes Voggenhuber zum ersten grünen Stadtrat Europas machten. Unter Voggenhubers Ägide wurde die Fußgängerzone im Zentrum der Altstadt erweitert und die Stadt für die Moderne geöffnet. Der damals eingesetzte Gestaltungsbeirat sorgt heute noch für hohe architektonische Qualität. Doch der Elan dieser Jahre ist verflogen. Visionslos taumeln Bürgerliste und im Grunde die gesamte Stadtpolitik vor sich hin, die "Airbnbisierung" der Altstadt und zahnlose Gesetze gegen Zweitwohnsitze sorgen für weiteren Druck am Wohnungsmarkt. Mittlerweile verzichtet man auch auf Maßnahmen, die hier gegensteuern könnten; eine zentral gelegene Baulandreserve, die als Vorbehaltsfläche für geförderten Wohnbau gewidmet war, wurde an Investoren im Luxussegment verkauft. Dass gerade die grüne Planungspolitik der letzten Jahrzehnte die soziale Teilung der Stadt entlang der Nord-Süd-Achse weiter befestigt hat, ist eine Ironie der Geschichte; die Entwicklung steht quer zum inklusiven Anspruch, den grüne Politik üblicherweise verfolgt.

Ohnmächtige Planungspolitik

Der Stillstand in der Stadt und eine ohnmächtige Planungspolitik erinnern an die Zeit vor vierzig Jahren, als unabhängige Bürger das Heft des Handelns in die Hand nahmen. Doch im Unterschied zu damals fehlt heute ein klares Bild der Richtung, in die man die Stadt bewegen will. Vielleicht ist es aber auch an der Zeit, sich von Konzentrationsregierungen auf Gemeindeebene zu verabschieden. Eine klare Agenda braucht den Dualismus von Regierung und Opposition, mit einer für den Bürger erkennbaren Zurechnung von Erfolg und Misserfolg und einer Stadtpolitik, die am Wählerwillen scheitern kann. (Christoph Landerer, 8.3.2019)