Boeing hat ein Softwareproblem bei Maschinen des Typs 737 Max eingeräumt.

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Chicago – Der US-Flugzeughersteller Boeing hat ein Softwareproblem bei Maschinen des Typs 737 Max eingeräumt, nachdem am Sonntag zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Monaten eine fast fabrikneue Maschine in Äthiopien abgestürzt war. Man arbeite an einer Verbesserung der Software, teilte Boeing am Montagabend mit.

Das Update solle "in den nächsten Wochen" in der 737-Max-Flotte erfolgen. Boeing verwies darauf, dass die US-Luftsicherheitsbehörde FAA die Änderung des Computerprogramms bis April erwarte. Konkret geht es um ein Programm zur Fluglagestabilisierung (MCAS), bei dem es durch falsche Sensordaten zu Problemen kommen kann. Boeing betonte, dass die Piloten "immer in der Lage sind, die Flugkontrolle manuell außer Kraft zu setzen". Die 737 Max sei "ein sicheres Flugzeug".

Änderungen gefordert

Zuvor hatte die FAA mitgeteilt, dass Software- und Systemänderungen erforderlich seien. Sie ordnete aber nicht an, dass alle Boeing 737 Max 8 am Boden bleiben müssen. Eigenes FAA-Personal und Mitarbeiter der US-Verkehrsbehörde NTSB seien nach Äthiopien entsandt worden, um die Behörden bei der Suche nach der Unglücksursache zu unterstützen. "Alle Daten werden während dieser Untersuchung sorgfältig geprüft, und die FAA wird geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn die Daten darauf hindeuten, dass dies erforderlich ist."

Der deutsche Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt hatte im Ö1-"Mittagsjournal" den Verdacht geäußert, dass ein Softwareproblem an den Abstürzen schuld sei. Bei den Unglücken seien Ähnlichkeiten aufgefallen, "die ins Auge stechen". Die Software dürfte kurz nach dem Start ohne sichtbaren Grund eingegriffen und die Nase der Maschine nach unten gedrückt haben. Österreichische Fluglinien verwenden den Flugzeugtyp nicht, allerdings landen entsprechende Maschinen gelegentlich in Wien-Schwechat.

Uneinheitliche Reaktionen

Die Boeing 737 Max hat eine zusätzliche Software, die dafür sorgt, dass die Flugzeugnase nicht zu hoch genommen wird. Diese dürfte sich eingeschaltet haben, obwohl die Maschine im Steigflug war. Die Piloten hätten "ziemlich verzweifelt versucht", die Nase nach oben zu nehmen. Und als diese wieder nach oben ging, habe die Software wieder eingegriffen und diese hinuntergedrückt. "Was sie (die Piloten, Anm.) nicht getan haben, was relativ einfach ist, diese Software, dieses System einfach zu deaktivieren", meinte Großbongardt. "Das ist relativ einfach, das ist mehr oder weniger ein Knopfdruck."

Nach dem Unglück mit 157 Todesopfern, darunter drei Österreicher, fehlt klare Reaktion der Luftfahrtbranche gibt es bisher allerdings nicht. Andere Airlines, darunter die großen US-Gesellschaften American und Southwest fliegen die Maschinen weiter.

Startverbot auch in Österreich

Auch die Europäische Flugsicherheitsbehörde (Easa) erteilte vorerst kein Startverbot. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) verwies noch am Montag auf die Zuständigkeit der Easa und meinte, dass in Österreich einem Flugzeug nur dann der Start verwehrt werden kann, wenn bei einem Check auf einem österreichischen Flughafen ein gravierender Mangel festgestellt worden sei. Am Dienstag teilt Hofer mit Flugzeuge vom Typ Boeing 737 MAX bis auf weiteres im österreichischen Luftraum zu "grounden": "Sicherheit ist in der Luftfahrt oberste Priorität. Offenbar gibt es bei diesem Boeing-Typ massive Probleme, die letztlich auch der Grund für zwei Abstürze gewesen sein dürften. Zum Schutz von Passagieren, Piloten und Crew-Mitgliedern habe ich mich auf Basis der derzeit vorliegenden Fakten dazu entschlossen, dieses "Grounding" für den österreichischen Luftraum zu veranlassen", so der Minister.

Die Aktien von Boeing büßten am Montag zum Börsenstart bis zu 13,5 Prozent ein. Das bedeutete laut der Nachrichtenagentur Bloomberg den größten Tagesverlust im Handelsverlauf seit den Terroranschlägen in New York am 11. September 2001. Im Verlauf erholte sich die Aktie und schloss 5,4 Prozent im Minus.

Maßnahmen in Asien und Australien

Indiens Luftfahrtbehörde DGCA hat eine Flugerfahrung von mindestens 1.000 Stunden für Piloten des Flugzeugtyps vorgeschrieben. Co-Piloten müssten laut DGCA mindestens 500 Stunden Flugerfahrung vorweisen. Das sei eine vorläufige Sicherheitsmaßnahme, die am Dienstag in Kraft trete und für alle Flüge im indischen Luftraum gelte.

Auf dem Flughafen des asiatischen Stadtstaats Singapur – einem der größten weltweit – dürfen bis auf Weiteres keine Boeing 737 Max 8 mehr starten und landen. Am Dienstag wurde mit sofortiger Wirkung ein vorübergehendes Verbot verhängt. Auch Australien lässt die Maschinen auf seinen Flughäfen nicht mehr starten und landen. Dem schlossen sich am Dienstag auch Deutschland, Frankreich, Irland Großbritannien und Malysia an.

Auch die südkoreanische Billigfluggesellschaft Eastar Jet lässt ihre beiden Maschinen des Typs vorerst auf dem Boden. Die Entscheidung gab Südkoreas Verkehrsministerium am Dienstag bekannt. Laut Medienberichten ist Eastar Jet die einzige Fluglinie des Landes, die diese Maschinen derzeit betreibt. Zusätzlich beschlossen China, Indonesien und Äthiopiens nationale Fluggesellschaft sowie eine Reihe weiterer Airlines wie die mexikanische Aeromexico oder die brasilianische Gol, Boeings modernisierten Mittelstreckenjet vorerst am Boden zu lassen. Auch die norwegische Fluggesellschaft Norwegian stoppte den Einsatz ihrer Boeing-Flugzeuge des Typs 737 Max 8.

Airbus-Aktienkurs auf Rekordhoch

Die Aktien des Boeing-Konkurrenten Airbus näherten sich am Dienstag wieder dem Rekordhoch vom 1. März bei 114,76 Euro. Im Tageshoch stiegen sie um 1,3 Prozent auf 114,52 Euro und setzten damit die Kursgewinne vom Wochenbeginn fort.

Händler schlossen zwar nicht aus, dass sich Boeing-Kunden nach dem Absturz der zweiten 737 Max 8 binnen weniger Monate dem unmittelbaren Konkurrenzprodukt A320 neo zuwenden. Die Bestelllisten für beide Maschinen seien jedoch sehr lang, sodass ein kurzfristiger Ersatz kaum möglich sei. "Der Absturz ist eindeutig negativ für Boeing, aber nicht im Umkehrschluss auch zwangsläufig besonders positiv für Airbus", sagte ein Börsianer. (APA, 12.3.2019)