Das Fagus-Werk in Alfeld ist das Erstlingswerk des Architekten und Bauhäuslers Walter Gropius.

Foto: Tillmann Franzen / VG Bild-Kunst

Der Industrielle Carl Benscheidt wusste schon Ende des 19. Jahrhunderts, wo der Schuh drückt. Damals trug man die Latschen symmetrisch, man machte keine Unterscheidung für den linken und den rechten Fuß. Deshalb gründete Benscheidt im niedersächsischen Alfeld das Fagus-Werk, wo er der Fußgesundheit durch unterschiedliche Schuhleisten auf die Sprünge half.

Bald interessierte sich Benscheidt aber auch für die Gesundheit seiner Arbeiter, erkannte deren Bedürfnis nach Luft und Licht am Arbeitsplatz. Er lernte den Schwager des damaligen Alfelder Landrats kennen: Walter Gropius. Der junge Architekt teilte die fortschrittlichen Ideen Benscheidts und schuf 1911 mit viel Stahl und Glas ein Fabrikgebäude von nie da gewesener Luftigkeit. Heute gilt das Fagus-Werk in Alfeld als Vorläufer des bekannteren Bauhaus-Gebäudes in Dessau und als bahnbrechendes Konzept für moderne Industriearchitektur.

Man sieht schon: Selbst wer sich für die Bewegung interessiert, hat es im Jubeljahr "100 Jahre Bauhaus" nicht leicht, den Überblick zu wahren. Neben einschlägigen Bauhaus-Hotspots wie Weimar und Dessau gibt es nämlich in elf deutschen Bundesländern hunderte Beispiele dafür, wie diese Schule die gesamte Moderne geprägt hat.

Auf großer Tour

Das Projekt "Grand Tour der Moderne" hilft ein wenig dabei, solche wegweisende Architekturen in ganz Deutschland zu finden. In Zusammenarbeit mit den touristischen Länderorganisationen wurden sieben Touren entworfen. Sie führen zu Gebäuden, die zwischen 1900 und 2000 entstanden sind und das Verständnis von Arbeiten, Lernen und Wohnen nachhaltig geprägt haben.

Wer sich streng an die Bauhäusler halten will, ist am besten mit der Route "Bauhaus entdecken" durch Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin bedient. Die Gestalter der Runde, die man gut auf eigene Faust mit Öffis oder dem Auto unternehmen kann, empfehlen dafür fünf Tage.

In dieser Zeit reist man von der Wiege des Bauhauses in Weimar bis zu einer von vielen Unesco-Welterbestätten, die das Bauhaus hervorgebracht hat: der Bundesschule des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau bei Berlin. Wer auch von den vielen Sonderführungen vor Ort profitieren will, sollte sich unbedingt vorab schlaumachen. (Sascha Aumüller, RONDO, 18.3.2019)

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