Wo stehen die Ermittlungen nach dem Absturz?

Zwar wurde der Flugschreiber der in Äthiopien abgestürzten Boeing-Passagiermaschine schnell gefunden, ein Vertreter der Fluggesellschaft erklärte jedoch gleich, dass die Blackbox der Maschine vom Typ Boeing 737 Max 8 beschädigt sei. Nun muss diese offenbar im Ausland untersucht werden. Es gebe nicht die erforderliche technische Ausrüstung, um die Daten in Äthiopien auszulesen, sagte ein Sprecher der Ethiopian Airlines am Mittwoch laut der Deutschen Presse-Agentur. Schon zuvor hatte Airline-Chef Tewolde GebreMariam dem US-Sender CNN gesagt, dass möglicherweise die USA oder ein "näher gelegenes Land in Europa" für eine möglichst schnelle Untersuchung infrage kämen.

Die Blackboxen enthalten unter anderem Aufzeichnungen der Flugdaten und der Cockpitgespräche, was für Ermittler bei der Klärung der Unfallursache wichtig ist. Sie sind so robust gebaut, dass sie normalerweise auch ein Unglück überstehen.

Augenzeugen wollen gesehen haben, dass sich die Boeing vor dem Aufprall um die eigene Achse drehte, andere berichten von Flammen. Laut der Fluglinie meldeten die Piloten Probleme mit der Flugsteuerung. Bilder vom Unfallort deuten darauf hin, dass sich die Maschine fast senkrecht und mit hoher Geschwindigkeit in den Boden gebohrt hat. Die Trümmer liegen eng beieinander – ein Hinweis darauf, dass der Rumpf beim Aufprall noch weitgehend intakt war.

Wie lange dauern Absturzuntersuchungen?

Der österreichische Luftfahrtexperte Thomas M. Friesacher verweist im Gespräch mit dem STANDARD auf das Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt. Darin ist festgelegt, dass das Land, auf dessen Gebiet der Unfall stattfand, die Untersuchung leitet. Ereignete sich der Vorfall in internationalen Gewässern, übernimmt das Land, in dem das Flugzeug registriert war. Jene Länder, in denen die Maschine und wesentliche Komponenten des Fliegers gebaut wurden, entsenden Experten.

Wichtig ist laut Friesacher, dass dabei ohne Schuldzuweisung die Unfallursache untersucht wird. "Alle Parteien legen dabei alle relevanten Daten auf den Tisch. Zeugenaussagen finden in einem sehr geschützten Rahmen statt."

Einen Monat nach dem Unfall erscheint ein vorläufiger Bericht. In der Regel wird nach sechs Monaten ein Zwischenbericht, nach einem Jahr ein Abschlussbericht vorgelegt. Das sei nicht verpflichtend, habe sich aber so eingebürgert, sagt Friesacher, der auch Linienpilot und Pilotenausbildner ist. Ist das nicht möglich, wird jedes Jahr ein weiterer Zwischenbericht veröffentlicht.

Wie lange das bei komplizierteren Unfällen dauern kann, ist schwer zu sagen, denn natürlich "ist jeder Absturz unterschiedlich", sagt der österreichische Luftfahrtexperte Kurt Hofmann.

Hier noch in der Luft, muss die Boeing 737 Max 8 nun vielerorts am Boden bleiben.
Foto: AFP/BEN STANSALL

Wer setzt noch auf die Boeing 737 Max 8?

Nach dem Absturz der Boeing 737 Max 8 in Äthiopien hat der US-Flugzeugbauer Montagabend ein Softwareproblem eingeräumt. Das soll auch mitverantwortlich gewesen sein für den Absturz einer Lion-Air-Maschine des gleichen Modells Ende Oktober 2018. Die US-Luftfahrtbehörde FAA forderte ein Update der Software, das soll laut Boeing in den nächsten Wochen erfolgen. Ein Flugverbot sprach die FAA vorerst nicht aus und verwies auf laufende Ermittlungen.

Flugverbot für Boeing 737 Max 8.
ORF

Diesen Schritt vollzogen dafür am Dienstag die europäische Flugaufsicht Easa, zahlreiche Staaten und zahlreiche Fluggesellschaften. Es handle sich laut Easa um eine "Vorsichtsmaßnahme" und gelte auch für das Modell Boeing 737 Max 9. Unter anderem Österreich, Deutschland, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Australien, Fiji, Bermudas, Vietnam, Indien und Singapur schlossen ihre Lufträume für diese Flugzeuge. Die Vereinigten Arabischen Emirate und auch die russische Fluggesellschaft S7 zogen am Dienstagabend nach. Die FAA sieht weiter keinen Anlass für ein Flugverbot. "Sicherheit ist in der Luftfahrt oberste Priorität. Offenbar gibt es bei diesem Boeing-Typ massive Probleme, die letztlich auch der Grund für zwei Abstürze gewesen sein dürften", erklärte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) am Dienstag. Am Montag hatte er noch auf die Zuständigkeit der Easa verwiesen.

Grafik: APA

Norwegian und der weltgrößte Reisekonzern Tui erklärten ebenfalls, auf die Maschinen zu verzichten. Southwest und American Airlines, die die meisten Flugzeuge dieses Modells besitzen, erklärten wie einige andere, weiter auf diese Maschinen zu vertrauen.

Im US-Senat forderten Mitt Romney und Elizabeth Warren ein Flugverbot durch die FAA, Präsident Donald Trump kritisierte über Twitter zu viel Computertechnologie in der Luftfahrt: "Ich will keinen Albert Einstein als meinen Piloten." Trump soll inzwischen mit dem Boeing-CEO gesprochen haben. Auch die US-Flugbegleiter haben sich bis zur Klärung der Ursache für ein Startverbot für baugleiche Maschinen ausgesprochen. Die Gewerkschaft APFA die die mehr als 27.000 Flugbegleiter von American Airlines vertritt, forderte den Chef der größten US-Fluggesellschaft am Dienstag dazu auf. Auch die Gewerkschaft der Transportarbeiter (TWU), in der unter anderem die Flugbegleiter von Southwest Airlines organisiert sind, verlangte ein Startverbot.

Wie werden neue Flugzeuge zugelassen?

Hier gibt es laut Experte Hofmann klare und strenge Vorgaben. Mit Testflugzeugen eines neuen Modells, in der Regel vier bis sechs, werden tausende Flugstunden absolviert, um alle Flugzeugkomponenten gründlich zu überprüfen. Das dauert in der Regel sechs Monate. Je mehr Testflugzeuge zur Verfügung gestellt werden, desto schneller läuft das Verfahren ab. Zur Orientierung: Beim Airbus A350-1000 waren laut Hofmann 1.600 Teststunden zu absolvieren.

Die erste Prüfung, um eine behördliche Zertifizierung zu erhalten, muss bei der für die Region zuständigen Behörde absolviert werden. Im Fall von US-Flugzeugbauer Boeing ist das die FAA. Grundsätzlich muss diese Prüfung bei jeder regionalen Flugbehörde absolviert werden, so auch bei der Easa. Allerdings greifen hier Harmonisierungseffekte, sodass dies, sobald eine erste Zertifizierung vorliegt, in der Regel schneller abläuft. Vor allem FAA und Easa, sagt Friesacher, sind dabei die weltweit dominanten Flugbehörden, nach denen sich die anderen in der Regel richten.

Rascher läuft das Prozedere bei Nachfolgemodellen ab, denn hier sei laut Hofmann schon vieles bekannt. Das trifft auf die zweimal abgestürzte Boeing 737 Max 8 zu, ist sie doch die Weiterentwicklung der 737-800.

Wie werden Piloten nachgeschult?

Bei neuen Modellen gibt es für Piloten Schulungen, die laut Friesacher zwischen fünf Wochen und zwei bis drei Monaten dauern können. Im Fall des Nachfolgemodells 737 Max 8 greift das sogenannte Common Type Rating. Das berechtigt Piloten zum Fliegen bestimmter Flugzeugtypen.

Dabei gibt es in der Regel Unterschiedsschulungen für die neuen Elemente. Friesacher spricht dabei grundsätzlich von fünf mal vier Stunden im Flugsimulator. Aus finanziellen Gründen versucht der Flugzeugbauer, die Schulungen so gering wie möglich zu halten, um möglichst viele Käufer zu lukrieren. Generell, sagt Friesacher, "führt jede seriöse Fluglinie selbst bei kleinsten Veränderungen Schulungen durch".

Dass es jetzt bei Piloten, die noch eine 737 Max 8 fliegen, noch zu Nachschulungen kommt, hält er für unwahrscheinlich. Überhaupt, sagt er, würde er auch jetzt noch in eines dieser Flugzeuge einsteigen, denn "es sind alle gesetzlichen Vorlagen erfüllt".

Zwar seien jetzt 157 Menschen gestorben, "das ist natürlich eine traurige Nachricht", doch in Relation zu den Toten im Straßenverkehr sei es "eine verschwindend kleine Zahl". Außerdem: Bei etwa 46 Millionen Flügen weltweit im vergangenen Jahr gab es 62 Unfälle. Daher, sagt Friesacher: "Das Luftfahrtsicherheitssystem funktioniert." (Kim Son Hoang, 12.3.2019)