Arbeitsministerin Beate Hartinger-Klein stellte diese Frage den sozialdemokratischen Abgeordneten im Parlament in rhetorischer Weise, oder besser: Sie warf sie ihnen an den Kopf und die Antwort gleich hinterher: Die Wirtschaft schaffe die Arbeit. Diese Wendung stammt aus einer Zeit, in der sich verschiedene Wirtschaftsmodelle realiter gegenüberstanden: die Marktwirtschaft in liberaler und autoritärer Ausprägung auf der einen Seite und die Planwirtschaft, in der "der Staat" die Arbeit schuf, auf der anderen. Die triumphale Geste der Arbeitsministerin ("Bitte merkts euch das einmal!") deutet diesen historischen Bezug an und lässt auch keinen Zweifel offen, welche Seite obsiegte. So weit, so bekannt.

Eine legendäre Aussage Hartinger-Kleins in der Nationalratsdebatte über den Karfreitag Ende Februar: "Wer schafft die Arbeit? Wer schafft die Arbeit? Na sorry, die Wirtschaft schafft die Arbeit. Bitte merkts euch das einmal!"
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Die Wirtschaft gibt’s – und nimmt’s

Ernst gemeint, wäre die Frage aus ökonomischer Sicht aber hochaktuell und facettenreich. Hans Rauscher meinte in einer Kolumne, die Antwort der Ministerin in keiner gängigen Wirtschaftstheorie zu finden, und bezog sich dabei auf Klassik, Marxismus, Ordoliberalismus, Keynesianismus und Monetarismus. Laut der Theorie der schöpferischen Zerstörung von Joseph Alois Schumpeter ist es der Unternehmer, der durch Innovationen immer wieder aufs Neue den Markt umpflügt, neue Profitmöglichkeiten schafft und damit andere zerstört. Diese Theorie wäre also mit der Behauptung der Arbeitsministerin kompatibel – wenn man von der semantischen Problematik absieht, "die Wirtschaft" mit "die Unternehmen" gleichzusetzen –, sie müsste aber ergänzt werden: "Wer schafft und zerstört die Arbeit? Die Wirtschaft schafft und zerstört die Arbeit!" Ein Schelm, wer dabei an Marktreligiosität denkt: Die Wirtschaft gibt’s, die Wirtschaft nimmt’s.

Konsum schafft Arbeit?

Schumpeter ist heute ein Nischenökonom, ein "Heterodoxer", der im Nebengewässer des theorie- und praxisprägenden neoklassischen Hauptstroms schwimmt. Die Neoklassik – nicht zu verwechseln mit Neoliberalismus – liefert eine andere Antwort auf die Frage der Arbeitsministerin, wenn auch eine etwas sperrige: "Wer schafft die Arbeit? Die Konsumpräferenzen der Einzelnen schaffen die Arbeit!" Laut Neoklassik entsteht Produktion, weil es Bedarf an Waren und Leistungen gibt, sich die Menschen frei und selbstbestimmt überlegen, wie viel Arbeitsleistung sie anbieten, um dann die von ihnen gewünschten Sachen zu produzieren und konsumieren. Unternehmen als eigenständige Wirtschaftssubjekte spielen in der neoklassischen Produktionstheorie keine Rolle. Macht und Einfluss als Determinanten für die Verteilung von Arbeit, Lohn und Wohlstand sind wegdefiniert. "Trickle-down economics", wonach Unternehmenssteuersenkungen automatisch allen zugutekommen, und die semantische Gleichsetzung von Wirtschaft und Unternehmen sind eine Folge dieser Denkrichtung.

Technologischer Fortschritt

Die Neoklassik ist also keine Hilfe. Dabei ist die Frage der Arbeitsministerin eine äußerst aktuelle, etwa in Bezug auf den technologischen Fortschritt. Sich damit zu beschäftigten, ob die Digitalisierung zu (Massen-)Arbeitslosigkeit führt, setzt unweigerlich voraus, sich auch mit der Frage auseinanderzusetzen: Wer schafft die Arbeit? Sind es die Maschinen, die es uns gestatten, sie zu bedienen und daher zu arbeiten (oder eben nicht)? Oder ist es nicht vielmehr so, dass Arbeit, also körperliche und geistige Betätigung, ein ureigenes menschliches Bedürfnis ist? Unter dieser Prämisse führt technischer Fortschritt oder Digitalisierung niemals per se zu Massenarbeitslosigkeit, weil die Menschen neue Aufgaben finden werden, die zu bearbeiten sich lohnt. Ob es stets das kapitalistische Unternehmen sein muss, das diese Arbeit organisiert, ist offen. Würde die Digitalisierung die Lohnarbeit tatsächlich obsolet machen und würden die Produktivitätszuwächse nur noch durch Maschinen erzielt werden, wäre "die Wirtschaft" nicht mehr auf die menschliche Arbeitskraft angewiesen und der Mensch würde – eine gleichmäßige Verteilung der Wohlstandsgewinne vorausgesetzt – sich seine Arbeit selbst schaffen.

Starker Staat

Neben dieser zugegeben visionären Vorstellung besteht die triste Realität, dass die Wirtschaft für viele Menschen keine Arbeit schafft. Für die weit mehr als hunderttausend Langzeitarbeitslosen in Österreich stellt sich nämlich die Frage: "Wer schafft unsere Arbeit? Die Wirtschaft schafft sie nicht!" Oder sie wählt andere Arbeitskräfte, vorzugsweise aus dem schier endlosen Kontingent, das sich mit der sogenannten Ostöffnung des Arbeitsmarktes vor einigen Jahren aufgetan hat. Hier kommt der gescholtene Staat ins Spiel. Bis auf wenige libertäre Irrlichter schreiben alle ökonomischen Theorien dem Staat eine mehr oder weniger große Bedeutung für gutes Wirtschaften zu. Mariana Mazzucato ist die prominenteste zeitgenössische Ökonomin, die einen starken Staat als Voraussetzung für ökonomische Innovationen betrachtet. Wie auch immer man dazu steht, eine kluge Rolle des Staates sollte nicht per se zurückgewiesen werden. Im Bereich der Arbeitslosigkeit etwa wagte die österreichische Regierung mit der "Aktion 20.000" ein beachtliches Experiment, das leider viel zu früh sistiert wurde.

Was können wir uns nun von alldem merken? Dass die Frage der Arbeitsministerin ökonomisch hochinteressant, vielschichtig und aktuell ist, aber auch entsprechend komplex – und nicht mit einem Schlagwort zu beantworten. (Stefan Schiman, 13.3.2019)