Bringen den Ethikunterricht als "Sport und Bewegung für den Geist" in die Schulen: Bildungsminister Heinz Faßmann, Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache.

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Ich sage es frei heraus: Ich bin so eine, so eine ohne religiöses Bekenntnis und noch viel mehr so eine, die nie Mitglied einer Religionsgemeinschaft war, die keinen Religionsunterricht besucht hat, eine überzeugte Atheistin, so eine, die laut Bundesminister Heinz Faßmann ihre "Freistunde im Kaffeehaus verbracht hat" und die im Unterschied zu den gläubigen Schülerinnen und Schülern den "respektvollen Umgang miteinander" und die "globalen Perspektiven" wie "nachhaltiges Konsumverhalten, fairen Handel und den Überblick über die Weltreligionen" in der Schule nicht gelernt haben soll.

Wenn dem so sei, kann ich aber nur sagen: Schule, nicht genügend, setzen!

Warum ein zusätzliches Fach?

Denn damals wie heute sind die im österreichischen Lehrplan explizit verankerten Bildungs- und Erziehungsziele "Akzeptanz, Respekt, gegenseitige Achtung und Diskursfähigkeit unter Bezugnahme auf die individuellen Grundrechte" ebenso "wie die vorurteilsfreie Begegnung der Kulturen auf der Grundlage einer offenen und respektvollen Auseinandersetzung".

Auftrag der Schule ist es, den Schülerinnen und Schülern, die "vor den Fragen nach Sinn und Ziel und ihrem Verlangen nach einem sinnerfüllten Leben in einer menschenwürdigen Zukunft stehen", bei der Suche nach Orientierung eine eigenständige Auseinandersetzung mit diesen Themen zu ermöglichen, wobei in den Unterrichtsgegenständen auf philosophische und religiöse Erklärungs- und Begründungsversuche über Ursprung und Sinn der eigenen Existenz und der Welt einzugehen ist. Die Achtung vor Menschen, die dabei unterschiedliche Wege gehen, soll gefördert werden. Diese Zielsetzungen bilden die Grundlage für eine fächerübergreifende Zusammenarbeit und sollen die Beiträge der Unterrichtsgegenstände zur umfassenden Bildung der jungen Menschen vervollständigen.

Ruft man sich diesen Bildungs- und Erziehungsauftrag der österreichischen Schulen in Erinnerung, wird ganz deutlich, dass Ethik bereits Gegenstand jedes einzelnen Unterrichtsfaches zu sein hat und auch ist. Warum dann aber noch ein zusätzliches Fach "Ethikunterricht" und warum nur für jene Schülerinnen und Schüler, die am Religionsunterricht nicht teilnehmen?

Die "normgebende Kraft der Kirchen"

Die Einführung eines Ethikunterrichts ausschließlich für jene Gruppe von Kindern, die oder deren Eltern sich für eine Nichtteilnahme am konfessionellen Religionsunterricht entschieden haben, greift fundamental in deren Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ein. Transportiert wird die Botschaft, am Religionsunterricht nicht teilnehmende Kinder seien weniger befähigt, den Grund- und Menschenrechten verbundene, weltoffene, tolerante und verantwortungsbewusste Menschen zu werden.

Die Maßnahme führt gleichzeitig dazu, dass es den am Religionsunterricht teilnehmenden Kindern verwehrt wird, sich auf neutralem und nicht konfessionell geprägtem Boden mit Werten, Weltanschauungen und Religionen auseinanderzusetzen, nämlich mit Mitschülerinnen und Mitschülern unterschiedlicher Glaubens- und Weltanschauungsrichtungen in einer gemeinsamen Unterrichtsstunde.

Warum geht es bei der Diskussion daher wirklich? Minister Faßmann hat dies in entlarvender Offenheit ausgesprochen. Es geht darum, den "Verlust der normgebenden Kraft der Kirchen hintanzuhalten" – somit der Kraft jener Kirchen, in denen Kinder mit "beunruhigenden Anzeichen", also homosexuellen Tendenzen, einen Besuch beim Psychiater nötig hätten" oder in deren Namen Glaubenskriege begangen wurden. Diese Förderung der religiösen Erziehung steht im Widerspruch zu den Prinzipien der religiösen Neutralität und Säkularität, denen sich der österreichische Gesetzgeber verpflichtet hat.

Umso problematischer wird diese politische Agenda, wenn der Ethikunterricht auch von Religionslehrerinnen und Religionslehrern unterrichtet wird. Eine Neutralität gegenüber allen Religionen und (atheistischen oder agnostischen) Weltanschauungen ist nicht möglich. Wer sich als Religionslehrerin oder Religionslehrer der Verkündung seines eigenen Glaubens verpflichtet hat, kann diese innere Überzeugung bei einem Ethikunterricht nicht wie ein Mäntelchen ablegen.

Weltoffen, tolerant, konfessionsfrei

Was mir meine eigene Lebensgeschichte gelehrt hat, ist, dass es mit dem Grundrecht auf Gedanken- und Gewissensfreiheit im österreichischen Schulalltag nicht weit her ist. Zwar wird lautstark Toleranz gefordert, wenn es um die Achtung der Religionen geht, eine nichtreligiöse Weltanschauung hingegen wird kaum toleriert. So wie mich meine Eltern, so erziehe auch ich meine Kinder humanistisch, weltoffen, tolerant und konfessionsfrei. Und das ganz ohne (ideologisch gefärbten) Ethikunterricht – in Ausübung meines Elternrechts auf Erziehung, zu dessen Achtung sich der österreichische Staat in der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet hat. (Anja Oberkofler, 12.3.2019)