Die Forscher analysierten unter anderem die DNA zweier Brüder, deren Knochen im spanischen Leon gefunden wurden.

Foto: Julio Manuel Vidal Encinas

Überreste eines Mannes und einer Frau, die Seite an Seite in einer bronzezeitlichen Stätte in Castillejo de Bonete in Spanien bestattet worden waren.

Foto: Luis Benítez de Lugo Enrich / José Luis Fuentes Sánchez / Oppida

Die neolithische Fundstätte Cueva de Chaves nahe Bastarás in der spanischen Region Aragonien.

Foto: Museo de Huesca

Wien/Krems – Einblick in die Besiedlungsgeschichte der Iberischen Halbinsel geben zwei Studien mit Beteiligung von österreichischen Forschern. So zeigt eine im Fachblatt "Science" veröffentlichte genetische Analyse, dass die dort ansässige männliche Bevölkerung vor rund 4.000 Jahren fast komplett durch Nachfahren von Neuankömmlingen aus Steppengebieten der heutigen Ukraine und Russland ersetzt wurde.

Noch weiter zurück blickte ein Team unter der Leitung von Wolfgang Haak vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Leipzig im Fachjournal "Current Biology": Anhand teils neu ausgewerteter DNA-Überreste mehrerer Menschen aus späten Jäger- und Sammlergesellschaften sowie Vertretern früher Bauern aus der Jungsteinzeit gingen sie bis zu 13.000 Jahre zurück in die Vergangenheit des heutigen Spaniens und Portugals.

Eiszeitliches Rückzugsgebiet

Bisher ging man davon aus, dass sich nach dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor allem die Nachkommen der sogenannten Villabruna-Gruppe durchsetzten. Sie ersetzten in Mittel- und Westeuropa die ältere Magdalenien-Kultur flächendeckend. Zur Überraschung der Wissenschafter, zu denen auch Kurt Alt von der Danube Private University in Krems (NÖ) gehört, zeigten die neuen Untersuchungen nun aber, dass in den Überresten von der Iberischen Halbinsel das Erbgut beider Gruppen auch nach dem Ende der Eiszeit nachzuweisen ist.

Da sich die Magdalenien-Linie offenbar nur dort erhalten hat, untermauere das die Annahme, dass Gebiete im heutigen Spanien und Portugal tatsächlich "als Rückzugsgebiet während der Zeit der maximalen Vergletscherung Europas in der letzten Eiszeit gedient haben – und zwar nicht nur für die Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch für Menschen", so Haak.

Umfangreiche DNA-Analysen

Einen anderen zeitlichen Fokus hat die Arbeit in "Science" unter der Leitung von Forschern um David Reich von der Harvard Medical School (USA). Den Grundstock dieser Studie bilden Erbgut-Analysen von 271 Menschen, die vor 8.000 bis 400 Jahren auf der Iberischen Halbinsel lebten.

Auch nachdem Bauern aus dem Nahen Osten vor rund 7.700 Jahren begannen, die neue Lebensweise in weite Teile Europas zu bringen, verlor sich auf der Iberischen Halbinsel die genetische Spur der ursprünglich als Jäger und Sammler lebenden Magdalenien- und Villabruna-Nachfahren nicht ganz, so die Max-Planck-Forscherin Vanessa Villalba-Mouco, die wie Alt an beiden Studien beteiligt war.

Verdrängte Männer

Vor mehr als 4.000 Jahren durchlief die Region aber eine dramatische Veränderung, die durch Zuzug von Menschen verursacht wurde, die ursprünglich aus Steppengebieten der heutigen Ukraine und Russlands stammten und über Zentraleuropa einwanderten. Aufgrund der neuen Daten sei davon auszugehen, dass im Lauf der Zeit nahezu alle männlichen Bewohner der Region von Männern ersetzt wurden, deren Vorfahren aus diesen Steppengebieten stammten, schreiben die Wissenschafter, zu denen auch ein Team um Ron Pinhasi von der Universität Wien zählt.

Die Spuren der einstigen Steppenbewohner fanden sich auch im heutigen Baskenland, einer autonomen Region im Norden Spaniens, deren Sprache mit keiner anderen verwandt ist. Diese Eigenheit spiegle sich auch in den neuen Daten wider, denn spätere genetische Einflüsse, etwa in der Römerzeit, die weite Teile der restlichen Bevölkerung der Iberischen Halbinsel betrafen, fanden sich im Baskenland nicht. (red, APA, 15.3.2019)