Hat kein Verständnis für Klimawandelleugner, auch nicht in der eigenen Regierung: Bildungsminister und Geograf Heinz Faßmann.

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Die Kinder hatten leider keine Zeit. Also muss sich der Bildungsminister bis kommende Woche gedulden, um mit den jungen Klimaaktivisten über ihr Umweltengagement zu reden, das am Freitag in weltweiten Schülerprotesten gipfelte.

Das Anliegen selbst hält Heinz Faßmann für richtig und wichtig. Er frage nur: "Warum bestreikt ihr die Schule?" Genau dort sollten doch Wege aufgezeigt werden, was gegen die Erdüberhitzung getan werden könne. Er glaubt: Mit dem Ansetzen der Demonstrationen während der Unterrichtszeit schaden sich die Schülerinnen und Schüler letztlich selbst. Aber für den Protest: Vollstes Verständnis!

Keine Zweifel

Dafür, dass es aufseiten des Regierungspartners FPÖ vom Vizekanzler abwärts Zweifler gibt, die den menschgemachten Anteil am Klimawandel in Abrede stellen, hat der Wissenschafter Faßmann hingegen kein Einsehen. Das sei "sicherlich ein verkürzter und verknappter Informationsstand", daran gäbe es nämlich "keinen Zweifel". Ob er mit der Blauen den inhaltlichen Austausch suche? "Wir reden über diese Dinge wahrscheinlich zu wenig. Der oberflächliche Diskurs der Politik, den wir haben, setzt sich auch mit den Kollegen fort", bedauert der 64-Jährige.

Nicht nur in Sachen Klimawandel wählt der Geograf oft unwegsames Gelände, auch sonst scheint er auf dem Koalitionsterrain immer mehr zur politischen Insel zu werden. Mit ihm und den Blauen ist das so eine Sache. Das Recht soll der Politik folgen, sagt Innenminister Herbert Kickl. Der Bildungsminister widerspricht. Österreich sei kein Einwanderungsland, sagt Kickl. Der Bildungsminister widerspricht. Beide Male öffentlich. Auch bei der Sicherungshaft äußert er Skepsis. Herrscht seither Eiszeit? "Wir reden miteinander", versichert Faßmann, "gerade die Sache mit dem Einwanderungsland habe ich versucht ihm näher zu bringen." Man darf annehmen, dass es beim Versuch blieb.

"Ich möchte selbst entscheiden und nehme mir das Recht heraus, zu sagen, was für mich prioritär ist." Heinz Faßmann

Dabei ist Faßmann mit seiner Vita bestes Beispiel für die Definition vom Einwanderungsland Österreich. In Düsseldorf als jüngstes von drei Kindern geboren, der Vater, ein Tankstellen- und Autowerkstattbesitzer, verstirbt früh. Mit viereinhalb Jahren übersiedelt die alleinerziehende Mutter, eine Buchhalterin, zurück in ihre Heimat Wien. Die Großmutter betreut die Kinder, die ältere Schwester hilft bei den Hausaufgaben. Auf eine "schöne Jugend" folgt das Geografie-, Wirtschafts- und Sozialgeschichtestudium. Der Berufswunsch "Lehrer" reifte in jenen Sommermonaten, die Faßmann als Erzieher in einem Jugendheim verbrachte. Aber es kommt anders, eine Professorin ermutigt ihn, an der Uni zu bleiben.

An der Akademie der Wissenschaften baut er die Migrationsforschung auf. An der Uni Wien ist er viele Jahre Vizerektor. Im Expertenrat für Integration wird das dann schon väterliche Forschungstalent zum wichtigen Stichwortgeber für ein junges Polittalent im Staatssekretariat. Später, Sebastian Kurz ist bereits Kanzler, Faßmann sein Bildungsminister ohne Parteibuch, ziehen auch hier Wolken auf. Wo Message-Control das Maß der Dinge ist, wo oft mit Emotionen Politik betrieben wird, ist Faßmanns pragmatische Sicht der Dinge rasch als antiquiert abgetan. Umgekehrt scheint sich eine gewisse Ernüchterung über den Jungen breitzumachen.

Ausloten, was geht

Als Faßmann den Job am Minoritenplatz antritt, ist das Regierungsprogramm bereits verhandelt. Er orientiere sich daran, was ihm sinnvoll, machbar und durchsetzbar erscheint, erklärt der Minister. Dass das nicht immer 100 Prozent deckungsgleich mit dem Koalitionspakt ist – geschenkt. Wenn im blauen Team der Reformeifer wieder einmal zu groß wird, dann sei es seine Aufgabe, unaufgeregt und mit fachlichen Hintergrund die Dinge wieder ins Lot zu bringen. In der FPÖ fällt offiziell kein schlechtes Wort über ihn. Dass da und dort andere Akzente gesetzt würden, sei normal. Grundsätzlich mache Faßmann einen guten Job, wird versichert.

Mit Schul- und Wissenschaftsagenden hat sich der Mann, dessen Körpergröße von 2,03 Metern in keinem Porträt fehlen darf, auch ein Riesenressort aufgehalst. Nachfrage bei einem Rektor, wie Faßmanns Arbeit ankommt: Er sei kompetent und immer gesprächsbereit. Dass es keine neuen Studienbeiträge gebe, wie im Koalitionsabkommen festgehalten, wird begrüßt. "Ich möchte selbst entscheiden und nehme mir das Recht heraus, zu sagen, was für mich prioritär ist", sagt der Minister auch hier.

Das von ihm vorgelegte Pädagogikpaket kam bei Schulexperten allerdings gar nicht gut an. Notenpflicht, ein Revival des Sitzenbleibens bereits für Zweitklassler – da gab es kein Lob. Auch bei den Deutschförderklassen: breite Ablehnung der Community. Dabei milderte der Minister, obwohl er jede dieser Maßnahmen für sinnvoll hält, diese noch deutlich ab. Neben den Noten sind jetzt auch Bewertungsgespräche Pflicht. Und der Kreis jener, die in eigenen Gruppen Deutsch lernen, wurde so eng gefasst, dass von über einer Million Schulpflichtiger nur noch 10.000 Kinder übrig sind.

Bekenntnis eines Gläubigen

Bildungspsychologin Christiane Spiel spricht trotzdem von "Rückschritten". Was ihr gefällt: Dass jemand trotz des hohen Maßes an Fremdbestimmtheit versuche, eine wissenschaftliche Perspektive in die Politik zu bringen. Überraschend offen erklärte Faßmann hingegen, dass nicht jede politische Entscheidung wissenschaftlich fundiert sei. Die Aussage brachte ihm viel Kritik ein. Auch sein Bekenntnis, dass für ihn nach einer Legislaturperiode Schluss sei, hatte Folgen. Gerüchte über eine angebliche Amtsmüdigkeit wurden lanciert. Er selbst dementiert das. Eines glaubt man vom karenzierten Professor aber auch zu wissen: Faßmann habe den politischen Betrieb unterschätzt.

Jüngstes Projekt des "Arbeitstiers" ist der Ethikunterricht. Weil der vorerst nur an AHS-Oberstufen, Polys oder für Kinder ohne Bekenntnis greifen soll, sprechen viele Beobachter von einer halben Lösung. Dass ihm, dem gläubigen Protestanten, die eigene Regierung den Feiertag genommen hat, stört ihn nicht. Er wird sich nicht davon abbringen lassen, ihn zu begehen – als Urlaubstag. In einer religionspluralen Gesellschaft sei die Frage nach religiösen Privilegien neu zu stellen, sagt Faßmann. Seine Pfarre in Perchtoldsdorf wirbt für eine Petition zur Feiertagsrettung. Gemeindevertreter Faßmann wird nicht unterschreiben.(Peter Mayr, Karin Riss, 17.3.2019)