Kein anderes Vorurteil hat in der Geschichte so viel Schaden angerichtet wie der Antisemitismus. Vertreibungen im Namen des Christentums, Pogrome in Europa und Nordafrika sowie der Völkermord am europäischen Judentum im Nationalsozialismus – all das gründete auf einer Welterklärung, die psychologisch wie eine Wahnerkrankung funktioniert.

In Österreich hat insbesondere der von den Nazis befeuerte rassistische Antisemitismus tiefe Wurzeln. Daraus ergibt sich eine spezifische Verantwortung. Denn es ist denkbar, dass der historisch verankerte Hass auf Juden mit neuen, durch Einwanderer hinzukommende Antisemitismen gefährliche Allianzen eingeht.

Von dieser Warte aus betrachtet sind die Ergebnisse der am Freitag erstmals in voller Länge präsentierten Ifes-Antisemitismusstudie 2018 erschreckend. Und zwar auch über die bisherige Fokussierung auf den Antisemitismus unter türkischen und arabischen Migranten hinaus.

Denn so vordringlich die Auseinandersetzung mit dem importierten Antisemitismus auch ist: Das war einseitig. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Staatssekretärin Karoline Edtstadler haben mit ihrer partiellen Vorinformation zu den Studienergebnissen vor zehn Tagen keine Besonnenheit an den Tag gelegt, wie sie bei diesem wichtigen, sensiblen Thema angeraten erscheint.

So bezeichnet zum Beispiel ein Zehntel der österreichischen Bevölkerung – Angestammte und Zugewanderte zusammengenommen – die Berichte über Konzentrationslager und Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg als "übertrieben". Das zeigt, wie fruchtbar das Feld für die Holocaustleugnung hierzulande immer noch ist. Und sollte nachdenklich stimmen: In einer Zeit grassierender Fake-News und vieler Menschen, die ihnen bereitwillig auf den Leim gehen, ist derlei nicht ungefährlich.

Antijüdische Vorurteilslast

Besonders bedenklich sind jedoch die Ergebnisse bei den für die Studie interviewten Türkisch und Arabisch sprechenden Einwanderern. Zum Vergleich: Der Relativierung des Völkermords an den Juden stimmten unter arabischstämmigen Personen 35 Prozent, unter türkischstämmigen gar 41 Prozent zu.

Das ist umso problematischer, als es sich bei den Befragten überwiegend um Menschen handelt, die sich dauerhaft in Österreich niedergelassen haben oder hier sogar geboren sind.

Keine Rede vom frisch aus Syrien oder dem Irak nach Österreich eingereisten Flüchtling, der die ganze antijüdische Vorurteilslast aus seiner Heimat mitgebracht hat! Vielmehr dürften bei vielen türkischen und arabischen Einwanderern weder ein Leben im Land noch ein Schulbesuch mit – hoffentlich – entsprechender Aufklärung zu geschichtlichen Fakten gegriffen haben.

Die Frage ist: Warum? Hier brauche es Forschungsarbeit, fordern die Studienautoren zu Recht. Sie schlagen Untersuchungen zum Konsum von Medien aus der alten Heimat, zu Social-Media-Aktivitäten sowie zu Kultureinrichtungen der Communitys vor.

Auch sei der höhere Anteil "rechtsautoritärer Einstellungen" unter den befragten Migranten auffällig, sagt Studienmitverfasserin Eva Zeglovits. Hier schließt sich der Kreis, der von einer antidemokratischen Sicht auf die Welt über Vorurteile gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen bis hin zu Gewaltbereitschaft reicht. Oder gar zu offener Gewalt, wie im neuseeländischen Christchurch am Freitag, bei einem Anschlag auf Muslime mit vielen Toten. (Irene Brickner, 15.3.2019)