"Für die Wälder wollen wir tanzen", ruft eine Musikerin auf der Bühne. Den – je nach Zählung – 10.500 bis 30.000 Teilnehmern der Klimademonstration muss das nicht zweimal gesagt werden. Trotz eisigen Windes tanzen und marschieren die Schüler und Studenten bei den sogenannten Friday-for-Future-Protesten durch Wien.

DER STANDARD

Mit selbstgemalten Schildern, Pfeifen und Mikrofonen wollen sie aber nicht nur Wälder schützen, die Klimapolitik der Regierung ist ihr Hauptanliegen. "Der Klimawandel ist da, und die Regierung muss sehen, dass wir laut sind und was dagegen tun", sagt die 17-jährige Lea im Gespräch mit dem STANDARD.

Die bisher größte Freitagsdemonstration zog deshalb am Bundeskanzleramt sowie am Bildungs-, Umwelt- und Verkehrsministerium vorbei. Ausgelöst wurde die weltweite Protestwelle vor rund einem halben Jahr von der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg. Die Schülerin marschierte am Freitag zwar durch Stockholm, auf der Kundgebung am Wiener Heldenplatz war sie dennoch Thema.

So sah es am Freitag am Heldenplatz aus.
Foto: Christian Fischer

Dabei hat Österreich mittlerweile selbst einen Jugendlichen, der zum Gesicht der Klimabewegung werden könnte: Der 14-jährige Mati Randow hat die Proteste in den letzten Wochen mitorganisiert. "Ein Wahnsinn" sei es für den Schüler, wie viele Leute sich zum Streik für das Klima in Wien eingefunden haben. Dass so viele kommen – damit hätte er nicht gerechnet. "Ich fühle mich von den Erwachsenen im Stich gelassen", sagt er zum STANDARD. Und das würden auch viele seiner Schulkollegen so sehen: Allein aus seiner Schule seien 450 Schüler gekommen.

Entscheidung über Existenzen

In seiner Rede, die er am Heldenplatz hält, richtet sich der Schüler explizit an heimische Politiker: "Wir sind die interessierte Jugend, nach der ihr gerufen habt", sagt der Schüler unter lautem Applaus. "Hier fällt eine Entscheidung über unsere Existenz und unsere Zukunft." Der Protest wird nicht aufhören, kündigt Randow an: "Wir werden weiterhin wöchentlich demonstrieren." Bis die Politik ihre Anliegen nicht nur höre, sondern auch entsprechende Handlung setze.

Die Schüler fordern von den Erwachsenen einen Perspektivenwechsel: Es sei immerhin ihre Zukunft, die am Spiel stehe.
Foto: Christian Fischer

Entsprechend Handeln, das würde für die Fridays-for-Future-Bewegung in Österreich unter anderem Folgendes bedeuten: einen Plan zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vorlegen, eine ökosoziale Steuerreform durchsetzen, den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel forcieren, den Stopp der geplanten dritten Piste am Wiener Flughafen sowie des Lobau-Tunnels.

Proteste in den Bundesländern

Nicht nur in Wien wurde am Freitag demonstriert: Weltweit gingen junge Menschen in mehr als hundert Staaten auf die Straße, um von der Politik mehr Engagement in Klimafragen zu fordern. Dementsprechend hat sich der Protest auch hierzulande auf die Landeshauptstädte ausgedehnt.

4000 Schüler hielten etwa in Innsbruck Schilder in die Höhe, nur in der Bundeshauptstadt waren es mehr. Der 16-jährige Mathias war einer der Demonstranten in Tirol: "Bevor ich für die Zukunft lerne, muss ich dafür sorgen, dass es überhaupt eine Zukunft gibt", sagte er. Von Lehrerseite kam viel Verständnis: Ein Klassenvorstand eines Innsbrucker Gymnasiums hat den Demobesuch gleich mit Unterricht verbunden. Es galt, die besten Plakatsprüche zu sammeln, um sie kommende Woche im Unterricht zu besprechen.

In Innsbruck trotzen etwa 4000 Demonstranten dem Regen.
Foto: APA/Stegmayr

Die Erwartungen der Organisatoren haben die Teilnehmer in Linz übertroffen: Statt angemeldeten 1000 kamen 3000 junge Klimaschützer. Als der Demo-Zug sich zum Linzer Landhaus bewegte, wartete dort Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer bereits zum Gespräch. Der ÖVP-Politiker nahm eine entsprechende Petition entgegen.

Jeweils rund 1000 Schüler tauschten auch Klagenfurt, Graz und Bregenz die Straße gegen das Klassenzimmer. In Salzburg waren es mehr als 3000. "Es muss etwas passieren, bevor es zu spät ist", sagte die 14-jährige Salzburgerin Nora zum STANDARD. Die ganze Klasse habe Schilder und Transparente in Freistunden und im Zeichenunterricht gebastelt, mit Sprüchen wie "Mit Vollgas in den Klimawandel: 140 km/h. Danke Norbert."

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer trat in Dialog mit den protestierenden Schülern.
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Erster Erfolg

Einen ersten Erfolg kann die Bewegung bereits verbuchen: Am Montag wird je eine Delegation sowohl von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) als auch von Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) empfangen. Faßmann werde mit den Schülern über ihre Anliegen sprechen, aber auch darüber, wie man mit den Fehlstunden künftig umgehen soll, sagt eine Ministeriums-Sprecherin zum STANDARD: Ob sich etwa nicht doch eine Lösung finden lasse und die Demonstrationen künftig am Nachmittag oder am Wochenende stattfinden könnten. Immerhin sei die Schule Partner, nicht Gegner.

Doch dass der Protest während der Schulzeit stattfindet, ist Teil der Strategie. "Ich kann die Kritik schon auch verstehen", sagt der 17-jährige Wiener Demonstrant Albin dazu. Aber so werde der Protest zumindest wahrgenommen: "Wenn wir am Samstagnachmittag demonstrieren, hätte das viel weniger Gewicht."

Präsident empfängt Organisatoren

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird am Montag um 13.00 Uhr Teilnehmer der Aktion "FridaysForFuture", die sich für mehr Klimaschutz einsetzt, in der Hofburg empfangen. "Van der Bellen hat die Aktivisten von Anfang mit großer Sympathie mitverfolgt und ist beeindruckt, was die jungen Aktivisten in den letzten Monaten auf die Beine gestellt haben", hieß es in einer Aussendung.

Nun freue sich der Bundespräsident, "einige junge Menschen der Bewegung persönlich kennenzulernen und mit ihnen über Klimaschutz und ihre weiteren Pläne zu reden". Im Rahmen der internationalen Aktion "FridaysForFuture" sind am Freitag österreichweit tausende junge Leute auf die Straße gegangen. Alleine in Wien waren es über 10.000 (Steffen Arora, Vanessa Gaigg, Markus Rohrhofer, Nora Laufer, Stefanie Ruep, APA, 15.3.2019)