Über neue Gesetze stimmt Chinas alljährlich tagender Volkskongress meist am Ende seiner Agenda ab, nachdem er alle Haushaltspläne und Rechenschaftsberichte der Regierung gebilligt hat. Doch das sozialistische Parlament machte es diesmal anders: Es setzte das neue Gesetz über Auslandsinvestitionen auf die zweite Stelle der Tagesordnung bei seiner Schlusssitzung am Freitag, direkt nach der Abstimmung über den Regierungsbericht von Premier Li Keqiang. Allen sollte auffallen, wie wichtig das neue Reformgesetz ist, das erstmals die Gleichbehandlung von In- und Auslandskapital zum Rechtsanspruch macht. Entsprechend stimmten mehr als 99 Prozent der fast 3.000 Abgeordneten für das Gesetz.

Noch mehr Zustimmung erhielt Premier Li. Fast 99,9 Prozent der Stimmen (drei Enthaltungen) entfielen auf seinen Rechenschaftsbericht. Weil Li darin so oft wie noch nie die "absolute" Führung von Staats- und Parteichef Xi Jinping beschwor, war es zugleich eine Abstimmung über Xi. Auch hinter dem neuen Gesetz, das am 1. Jänner 2020 in Kraft tritt, steht der Einfluss des Parteichefs. Von Anfang an hat Xi auf dessen übereilte Erstellung und beschleunigte Verabschiedung gedrängt. Für Xi ist das Gesetz der öffentliche Nachweis, dass sein Land einen Reformkurs fährt.

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Das neue Investitionsgesetz soll ausländische Investoren mit inländischen gleichstellen.
Foto: AP Photo/Andy Wong

Das ist zumindest die Botschaft, die Peking an die USA und die EU richtet. Sie soll Xi Argumentationshilfe zur Beendigung des Handelsstreits mit den USA leisten, ebenso wie für den neu ausgebrochenen Streit mit Europa. Kommende Woche besucht er Italien und Frankreich. Während er am Donnerstag in Rom eintrifft, das er als Unterstützer seiner Seidenstraßeninitiative gewinnen will, debattieren die EU-Staaten über ihre neue China-Strategie mit einem Zehnpunkteprogramm. Der neue EU-Vorstoß lässt kaum noch ein gutes Haar an Chinas Wirtschafts-, Gesellschafts- und Menschenrechtspolitik. China dürfe nicht mehr als "Entwicklungsland" gesehen oder behandelt werden. Es sei als "globaler Akteur" und "führende technologische Macht" zum "strategischen Wettbewerber" geworden. Doch es schotte weiter seine Märkte ab, während es selbst alle Vorteile für sich ausnutze.

Trump verlangt Marktöffnung

Der wichtigste Adressat des neuen Gesetzes ist US-Präsident Donald Trump. Er verlangt vor einem Handelsdeal mit Peking und einem Ende seiner Strafzollpolitik von der Regierung, echte Reformen zur strukturellen Veränderung der chinesischen Wirtschaft durchzusetzen. Dazu gehörten eine nachprüfbare Öffnung des Marktes, wirksamer Schutz des geistigen Eigentums und ein Ende des erzwungenen Technologietransfer. China habe mit unfairen Praktiken gigantische Handelsüberschüsse zulasten der USA angehäuft.

Xi will mit dem neuen Gesetz solche Vorwürfe entkräften. Es legt in 41 Paragrafen erstmals rechtswirksam fest, dass in- und ausländische Investoren auf Chinas Markt gleichberechtigte und gleichwertige Akteure sind. Es vereinheitlicht damit drei mehr als 30 Jahre alte Gesetzeswerke. Die zwischen 1979 und 1989 geschaffenen Gesetze bildeten bis heute das rechtliche Rahmenwerk für alle Formen von Auslandskapital in China von Joint Ventures bis zu Alleininvestitionen. Peking setzt, um sie abzulösen und zu ersetzen, eine Übergangsfrist von fünf Jahren fest.

Schnell durchgewinkt

Vom ersten Entwurf für das neue Gesetz bis zur Verabschiedung vergangenen Freitag vergingen keine drei Monate. Am 23. Dezember wurde der erste Entwurf im Parlamentsausschuss eingebracht. Wenige Wochen später ließ die Führung in zweiter Lesung eine verbesserte Fassung in einer dafür einberufenen "Sondersitzung des Ausschusses" passieren. Der dritte und letzte Entwurf wurde am 8. März gebilligt. Es ist das am schnellsten durchgewinkte Gesetz in der Geschichte der Volksrepublik. Möglich wurde das, weil Xi selbst alle Gremien zur Eile antrieb, wie Parlamentschef Li Zhanshu in einer Rede enthüllte. Der Präsident habe sie aufgefordert, ein einheitliches Gesetz zur Gleichbehandlung einheimischer wie ausländischer Investoren "beschleunigt" fertigzustellen.

Das Paragrafenwerk ist mit heißer Nadel gestrickt und provoziert Fragen, was an dem Gesetz echt und was politisches Kalkül ist. Die Handelskammern der EU-Wirtschaft und der USA in Peking kritisierten, dass ihnen keine Zeit für Vorschläge oder zur Kommentierung des von ihnen begrüßten Gesetzes geblieben sei. Sie seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden, weil China vor allem Trump beeindrucken wollte, sagt EU-Kammerchef Mats Herborn dem STANDARD. "Wir werden als Kammer genau beobachten, wie das Gesetz auf allen Ebenen und in allen Teilen Chinas umgesetzt wird." Für die Skeptiker in Peking und in Washington ist die Umsetzung die entscheidende Frage, an der sie Chinas wirkliche Bereitschaft zu strukturellen Reformen messen werden.

Schwammige Formulierungen

Zudem seien viele Formulierungen im Gesetz schwammig oder unerklärt. Etwa Paragraf 39, der besagt, dass sich China das Recht vorbehält, mit gleicher Münze gegen "Staaten oder Gebiete" zurückzuschlagen, die chinesische Investitionen diskriminieren oder verbieten. Mit Marktwirtschaft hat das nichts zu tun. Nur mit Vergeltung.

Premier Li versprach nach Verabschiedung des neuen Gesetzes, er wolle das vorhandene Recht zum Schutz des geistigen Eigentums weiter verschärfen lassen. Er sagte auch eine weitere Verkürzung der chinesischen Negativliste für ausländische Investoren zu, die bisher knapp vier Dutzend Bereiche festlegt, in die Auslandskapital nicht investieren darf, etwa den Mediensektor. "Wir werden mehr Gebiete als bisher dem Ausland öffnen", sagte Li. "Wenn wir Versprechungen machen, dann liefern wir auch." (Johnny Erling aus Peking, 18.3.2019)