Wie soll der ORF künftig finanziert werden? Bundeskanzler Sebastian Kurz hält sich noch bedeckt, während Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Landeshauptmann Wilfried Haslauer für die Beibehaltung der GIS-Gebühren sind. Das Foto wurde im Herbst 2018 bei der ÖVP-Tagung "Die Veränderung hat begonnen. Bewegung für Österreich" in Wien aufgenommen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Nur wenige Stunden brauchte die schroffe Antwort aus den Bundesländern auf ein Ende der Rundfunkgebühren. Wilfried Haslauer, Landeshauptmann und ÖVP-Chef in Salzburg, formulierte die Ablehnung im Namen der neun: "Wir, die Länder, haben schon artikuliert, dass wir das nicht positiv sehen", erklärte Haslauer der APA. Mehrere Landeshauptleute schlossen sich über den Montag an – von Kärnten bis zum Burgenland und Niederösterreich, aus den Reihen der SPÖ und der ÖVP.

Die Länder profitieren über spezielle Abgaben von der GIS: 39 Millionen Euro nimmt Niederösterreich damit ein, 38 Millionen Wien, die Steiermark knapp 30 Millionen pro Jahr, meist zweckgewidmet für Kultur und/oder Sport. Kärnten fördert mit fast 13 Millionen Musikschulen. Tirol und Salzburg kommen auf rund zwölf Millionen. Haslauer unterstützt damit Kino, Kriegsopfer, Wissenschaft, Erwachsenenbildung und Heimatpflege. Die 3,6 Millionen im Burgenland fließen ohne Widmung ins Landesbudget. Oberösterreich und Vorarlberg verzichten auf Abgaben auf die GIS.

grafik: STANDARD

"Aberwitzige" Kürzung

Jenseits der Landeseinnahmen sorgt sich Haslauer um die ORF-Landesstudios: Budgetkürzungen träfen auf Sicht die Landesstudios – für Haslauer "aberwitzig", wo doch Regionalberichterstattung die höchsten Quoten bringe.

"ORF nachhaltig beschädigen"

Ähnlich ablehnend äußert sich auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): "Die Frage ist nun, ob man den ORF nachhaltig beschädigen und das österreichische Feld deutschen TV-Konzernen überlassen will. Ich halte wenig davon, wenn uns in Zukunft etwa die österreichische Innenpolitik vor allem aus TV-Studios in Köln, Mainz oder Berlin erklärt wird." Und: "Eine Umstellung auf eine Budgetfinanzierung öffnet langfristig natürlich auch die Türen für starke Kürzungen. Daher geht es um eine Grundsatzentscheidung für Österreich: Will man einen konkurrenzfähigen öffentlich-rechtlichen österreichischen Sender oder nicht."

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz warnte am Montag neuerlich vor einer Budgetfinanzierung des ORF. Wo es diese gebe, könne man sehen, "dass es immer direkte Eingriffe" und Einschnitte gebe, sagte er in der ZiB 2. Dann "entscheidet der Finanzminister, welches Programm im ORF gemacht wird", und indirekt auch, welche Personen die Programme machen.

Wer von den Gebühren profitiert

Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) sprach in der Pressestunde vom "starken Wunsch" des Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ), die GIS abzuschaffen. Dazu kursieren 700 Millionen Euro Budgetaufwand. Aber: Derzeit nimmt die ORF-Tochter GIS rund 920 Millionen pro Jahr ein. Rund 140 Millionen gehen an den Bund und knapp 150 an die Länder, 620 Millionen an den ORF. Die Abgaben und Steuern des Bundes auf die GIS fehlen jedenfalls im Budget, wenn Österreich auf Staatsfinanzierung umstellt. Die Mindereinnahmen müssten bei realistischer Rechnung zum Budgetaufwand für die Staatsfinanzierung zählen. Von kolportierten 700 Millionen blieben dann grob 560 Millionen. Wenn der Bund den Ländern ohne GIS entfallende Abgaben abgelten würde, blieben rund 410 Millionen Euro für den ORF – statt bisher 620.

grafik: STANDARD

Fuchs spricht wie andere Regierungspolitiker, vor allem aus der FPÖ, von "Einsparungspotenzial". Zuletzt kursierte: 100 bis 150 Millionen Euro weniger – zehn bis 15 Prozent bei heute einer Milliarde ORF-Einnahmen. Dänemark kappte seinem Rundfunk beim Umstieg auf Budgetfinanzierung 20 Prozent der Einnahmen.

80 Millionen Euro für den Sport

Was bekommt man für das Geld im ORF? Rund 115 Millionen Euro budgetiert der ORF für seine Landesstudios. Die gerade neu organisierten Hauptprogramme und ihre nun geteilte TV-Information liegen bei gut 60 Millionen Euro pro Jahr. Der Sport kommt in ungeraden Jahren ohne internationale Fußballmeisterschaften und Olympische Spiele auf knapp 80 Millionen Euro – Strache und Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) bemühen sich gerade gemeinsam um mehr Sportübertragungen im Free-TV. Auch eine Kostenfrage – Sky zahlt 34 Millionen pro Jahr für die Bundesliga.

Der Spartenkanal ORF Sport Plus kostet acht Millionen. Der Info- und Kulturspartenkanal ORF 3 kommt auf rund 20 Millionen. Für eigenproduzierte österreichische Filme und Serien kalkuliert der ORF 40 Millionen Euro, zuletzt sogar 46. Für – pro Sendeminute deutlich günstigeres – Kaufprogramm rund 45 Millionen.

Schon bei den Regierungsverhandlungen 2017 zwischen ÖVP und FPÖ soll eine Budgetfinanzierung Thema gewesen sein – Verhandler erinnerten sich später, die Idee wäre von der Volkspartei gekommen. Die Bundes-ÖVP lässt heute keinerlei Abneigung gegen eine Budgetfinanzierung erkennen. Für Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz war die Finanzierung am Montag nur eine Frage unter vielen. Medienminister Blümel und Vizekanzler Strache bestätigten das Regierungsthema Budgetfinanzierung für den ORF grundsätzlich.

"Keine Diskussion über GIS"

Nicht das Wie der ORF-Finanzierung sei entscheidend, sondern der Konsens über die Notwendigkeit der Finanzierung, ließ Blümel am Sonntag auf STANDARD-Anfrage verlauten. Am Montag erklärte er im Mittagsjournal: ORF-"Finanzierungsfragen werden im Zuge der Steuerreform geklärt."

Beim gerade verhandelten ORF-Gesetz verweist Blümel auf Erkenntnisse seiner Medienenquete von 2018. Allerdings nur zur Zusammenarbeit der Medienhäuser.

Auf breite Ablehnung stieß bei Blümels Enquete eine Staatsfinanzierung statt der GIS. Turner-Manager Gerhard Zeiler etwa, früher ORF- wie RTL-Boss, warnte: "Über die Gebühren kann es keine Diskussion geben. Budgetfinanzierung gefährdet den wichtigsten Teil des Auftrags des ORF: journalistische Unabhängigkeit, und die schließt Unbequemheit ein gegenüber Regierung wie Opposition." (Harald Fidler, 18.3.2019)