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Die Vorwürfe wiegen schwer: Ein in Wien tätiger Diplomat eines Landes aus Nahost soll gemeinsam mit seiner Frau Hausangestellte wie Sklaven behandelt haben. In einem Schreiben eines "Helfers", das dem STANDARD vorliegt, heißt es, dass die Bediensteten des betreffenden Botschafters "auf das Unmenschlichste ausgebeutet und missbraucht" worden seien. Es wird von "moderner Sklaverei im 21. Jahrhundert" berichtet.

Konkret geht es um Folgendes: Zwei Frauen seien als Haushälterinnen der Botschaftsresidenz für anfallende Arbeiten untertags angestellt gewesen. Vom ersten Tag an sollen sie aber gezwungen worden sein, Arbeiten darüber hinaus zu verrichten. Sie hätten auch in der Nacht arbeiten müssen und kaum Ruhepausen zugesprochen bekommen.

Außenministerium hat Stellungnahme angefordert

Auch Privatsphäre sei ihnen vorenthalten worden: Obwohl in dem Haus genügend Platz vorhanden gewesen wäre, hätten sie sich ein Bett teilen müssen. Die Überstunden, die sie über ein Jahr lang ansammelten, sowie die Nachtdienste seien nie bezahlt worden. Auch Flugtickets, für die sie aufkommen mussten, um die Familie im Urlaub zu begleiten, hätten sie nie rückerstattet bekommen. Zusätzlich seien sie "aggressiven Erniedrigungen" ausgesetzt gewesen. Eine dritte Bedienstete habe in der Botschaft selbst einen Selbstmordversuch unternehmen wollen, konnte daran aber gehindert werden.

Dem Außenministerium sind die Vorwürfe bekannt. Gegenüber dem STANDARD heißt es, der Botschafter sei mit den Vorwürfen konfrontiert und zur Stellungnahme aufgefordert worden. Die beiden Hausangestellten wurden an den Verein Lefö – Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels weiterverwiesen. Dort sind sie nun auch in Betreuung, wie dem STANDARD bestätigt wurde.

Maßnahmen gegen Ausbeutung

Immer wieder werden Fälle von Ausbeutung in Haushalten von Diplomaten bekannt, Experten sprechen von einer Handvoll jedes Jahr. "Es gibt hierzulande prinzipiell ein Bewusstsein darüber, dass es in dem Bereich Ausbeutung gibt", sagt Evelyn Probst, Leiterin von Lefö. Regelmäßig finden etwa gemeinsame Info-Veranstaltungen mit Außenministerium und Bundeskriminalamt statt, wo Hausangestellte von Diplomaten über ihre Rechte aufgeklärt werden. Immer wieder kommt es laut Probst vor, dass sich Betroffene nach einer solchen Veranstaltung an Lefö wenden.

Um Missbrauch vorzubeugen, müssen Hausangestellte beim Ministerium angemeldet werden. Sie müssen außerdem ein Bankkonto bei einer österreichischen Bank eröffnen, der Arbeitgeber muss die Überweisung des Gehalts per Kontoauszug nachweisen. Die sogenannte "graue Legitimationskarte", die auch zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und ein Jahr gilt, muss ebenfalls persönlich abgeholt werden.

Anlässlich der Verlängerung der Legitimationskarten werden die Angestellten in Hinblick auf allfällige Probleme durch Beamte interviewt. 105 derartige Karten für Hausangestellte sind derzeit laut Außenministerium ausgestellt. Davon sind etwa 75 Prozent Frauen und 50 Prozent aus den Philippinen. Treten Probleme auf, bestehen die häufigsten "Uneinigkeiten" laut Ministerium über die Lohnhöhe, insbesondere in Hinsicht auf Überstunden.

Im aktuellen Fall unterstützt Lefö die Frauen dabei, "dass sie ihre Rechte als Opfer von Menschenhandel bekommen". Ein wichtiger Teil davon sei das humanitäre Bleiberecht. (Vanessa Gaigg, 18.3.2019)