Die bevorstehende Meldepflicht für aggressive Steuermodelle bildet einen vorläufigen Höhepunkt im Kampf gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung.

Illustration: Davor Markovic

Der Kampf gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung ist eines der wichtigen und populären Vorhaben in der EU. Vor allem die steuermindernden Praktiken international agierender Konzerne, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben, sollen mithilfe neuer Regulierungen eingedämmt werden. Die bevorstehende Meldepflicht für aggressive Steuermodelle bildet einen vorläufigen Höhepunkt in diesem Unterfangen.

Schon in den Jahren zuvor sind in den Industriestaaten schrittweise immer schärfere Maßnahmen gegen Steuerhinterzieher umgesetzt worden. Bereits 2010 haben die USA mit dem Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca) eine Meldepflicht eingeführt, um sicherzustellen, dass US-Bürger, die ausländische Bankkonten haben, mit ihren weltweiten Kapitalerträgen erfasst werden. Danach ist nicht nur innerhalb der EU, sondern weltweit ein automatischer Informationsaustausch zwischen Banken und Finanzbehörden eingeführt worden, an dem sich zuletzt sogar Panama beteiligt hat.

Laufende Verschärfungen

Im Jahr 2017 wurde eine Meldepflicht für sogenannte Tax-Rulings eingeführt, wodurch Steuervorteile, die in einzelnen EU-Staaten an Konzerne wie Amazon, Google und Co gewährt werden, aufgedeckt werden sollen. Darüber hinaus wurden in der ganzen EU im Rahmen des sogenannten BEPS-Programmes verschiedene Maßnahmen gegen Gewinnverlagerungen in Konzernen umgesetzt, etwa die Vorschriften für Verrechnungspreise im Konzern vereinheitlicht und Steuerbegünstigungen in Missbrauchsfällen abgeschafft.

Gleichzeitig wurde in allen EU-Staaten ein Register für wirtschaftliche Eigentümer eingeführt, das es Finanzbehörden ermöglicht, komplexe Strukturen zu durchblicken und die dahinterstehenden wirtschaftlichen Eigentümer zu identifizieren.

Meldepflicht für Modelle

Zuletzt wurde im Juni 2018 eine EU-Richtlinie (RL 2018/822) beschlossen, wonach aggressive Steuermodelle an die Steuerbehörden gemeldet werden müssen. Diese Richtlinie muss noch 2019 in allen Mitgliedstaaten in das nationale Recht umgesetzt werden. Polen hat dies als erstes Land bereits mit 1. Jänner 2019 getan.

Interessant ist, dass die neue Meldepflicht in Polen viel weiter geht, als es die EU Richtlinie verlangt. So sind insbesondere auch rein nationale Transaktionen zu melden. In Österreich liegt bisher noch nicht einmal ein Gesetzesentwurf vor, sodass die genauen Vorschriften noch nicht bekannt sind.

Betroffene Berater

Die Meldepflicht soll jedenfalls sogenannte Intermediäre treffen – also alle Personen, die grenzüberschreitende Gestaltungen konzipieren, vermarkten oder organisieren, wobei auch Personen umfasst sind, die Unterstützung oder Beratung in diesem Zusammenhang leisten. In der Praxis sind somit insbesondere Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare, Banken, Finanzberater betroffen.

In Österreich kollidiert diese Meldepflicht allerdings mit der Verschwiegenheitspflicht dieser Berufsgruppen. Wie der Gesetzgeber diesen Konflikt lösen wird, ist unbekannt. Die Verschwiegenheit kann entweder, wie bei Geldwäsche, durchbrochen werden, oder diese Berufsgruppen werden von der Meldepflicht befreit.

In diesem Fall wären die Steuerpflichtigen direkt zur Meldung verpflichtet. Für den Fiskus wäre die erste Option effizienter und die Berater würden zur Meldung gezwungen werden. Die betroffenen Berufsgruppen wären über eine solche Regelung weniger glücklich.

Wann herrscht Meldepflicht?

Von der Meldepflicht umfasst sind grenzüberschreitende Gestaltungen mit zumindest einem Beteiligten in einem EU-Mitgliedstaat, wenn ein potenzielles Risiko der Steuervermeidung vorliegt. Dies ist anhand mehrerer Merkmale zu prüfen, wobei Hauptmerkmal sein wird, dass die Gestaltung in erster Linie dazu dient, einen Steuervorteil zu erlangen.

Es gibt viele Beispiele in der Praxis, die unter die Meldepflicht fallen können, etwa Finanzierungs- oder Lizenzgesellschaften in Steueroasen, Verlustverwertungsmodelle oder die Umwandlung von steuerpflichtigen in steuerfreie Einkünfte. Dazu kann beispielsweise die Zwischenschaltung von Finanzierungs- oder Lizenzgesellschaften zur Umwandlung von steuerpflichtigen Zins- und Lizenzeinnahmen in steuerfreie Dividenden oder Lebensversicherungsmäntel, bei denen die Einkommensteuer von Kapitalerträgen vermieden wird, dienen.

Typisch ist auch die Ausnutzung von Unterschieden in der steuerlichen Behandlung in verschiedenen EU-Staaten. Ein Beispiel dafür ist die doppelte Abschreibung bei Finanzierungsleasing, weil ein Staat dem Leasingnehmer, aber der andere Staat dem Leasinggeber die Abschreibung erlaubt; ein anderes die unterschiedliche Behandlung von Vermögensübertragungen, etwa die Buchwertfortführung in einem Staat versus die Aufwertung auf den Verkehrswert in einem anderen.

Was muss gemeldet werden?

Inhalt der Meldepflicht werden Angaben über die beteiligten Personen, das Datum des ersten Umsetzungsschrittes, involvierte Mitgliedstaaten sowie detaillierte Informationen zur grenzüberschreitenden Gestaltung und sonstige relevante Informationen sein.

Die Meldefrist soll für alle Gestaltungen ab dem 1. Juli 2020 gelten – und dann grundsätzlich 30 Tage ab Durchführung des ersten Umsetzungsschrittes oder bereits ab Bereitstellung der Gestaltung zur Umsetzung und Umsetzungsbereitschaft. Darüber hinaus sollen auch Gestaltungen erfasst werden, deren erster Schritt ab dem 15. Juli 2018 gesetzt wurden. Diese müssen bis zum 31. August 2020 gemeldet werden.

Welche Strafen bei Verstößen gegen die Meldepflicht verhängt werden, bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen. Laut Europäischer Kommission sollen Strafen verhängt werden, die "effektiv und verhältnismäßig sind" und zugleich "abschreckende Wirkung" zeigen.

Nach der Meldung eines aggressiven Steuermodells drohen jedenfalls Steuerprüfungen und im Falle von Gesetzesverletzungen Finanzstrafverfahren bei den beteiligten Unternehmen sowie den Beratern. Durch eine rechtzeitige Selbstanzeige nach § 29 Finanzstrafgesetz (FinStrG) kann ein solches Verfahren vermieden werden.

Akuter Handlungsbedarf

Bei vielen Unternehmen herrscht akuter Handlungsbedarf. Doch viele Berater scheinen noch nicht sensibilisiert für dieses Thema auf die Kunden zuzugehen, obwohl oft bereits klar sein sollte, dass es zu einer Meldepflicht kommen wird.

Allein die Prüfung, ob eine Gestaltung zu melden ist oder nicht, dürfte sehr komplex werden. Es werden bereits Softwareprogramme entwickelt, die eine systematische Prüfung erleichtern sollen. Diese würden helfen, eine erste Einschätzung zu erhalten, können eine finale Beurteilung des Einzelfalls durch einen Berater aber nicht ersetzen.

Noch fehlt das nationale Gesetz

Grenzüberschreitende Strukturen sollten bereits jetzt im Hinblick auf eine potenzielle Meldepflicht geprüft werden, um eine erforderliche Dokumentation zeitnah zu erstellen bzw. zusammenzutragen. Die Schwierigkeit in der Praxis besteht darin, dass das nationale Gesetz noch nicht vorliegt und die betroffenen Unternehmen und ihre Berater derzeit hinsichtlich der genauen Anforderungen noch im Ungewissen sind.

Zu befürchten ist außerdem, dass aufgrund der teilweise vagen Begriffsbestimmungen in der Richtlinie auch übliche Transaktionen unter die Meldepflicht fallen können. Es wäre gut, wenn der österreichische Gesetzgeber hier klare Regelungen schafft.

Die Meldepflicht ist nur ein Zwischenschritt im Kampf gegen Steuerhinterziehung. Es ist zu erwarten, dass die Staaten die Informationen aus der Meldepflicht nutzen, um die letzten verbleibenden Steuerschlupflöcher zu schließen. (Sibylle Novak, Wirtschaft & Recht Journal, 27.3.2019)