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Palästinenser in Gaza City vor einem Wandbild Yassir Arafats.

Foto: AP Photo/Adel Hana

Im Gastkommentar kritisiert Politikwissenschafter John Bunzl Vereinfachungen in der Antisemitismus-Debatte und erklärt die Unterschiede zwischen "islamischem" Antisemitismus und jenem europäischer Prägung.

Heinz-Christian Strache hat einen Thinktank aus der Taufe gehoben. Gestartet wurde mit einer Diskussionsrunde, die sich dem "islamischen Antisemitismus" widmete und nicht dem hausgemachten. Als Keynote-Speaker trat Michael Ley auf, der sich ideologisch wenig von dem Attentäter in Neuseeland unterscheidet. Ein islamophober Hassprediger und Verschwörungstheoretiker, wenn man die Aneinanderreihung unbewiesener Behauptungen als "Theorie" gelten lassen will. Seine Methode: hauptsächlich aus dem Zusammenhang gerissene Zitate aus dem Koran, die sich oft nicht auf "die" Juden beziehen, sondern auf bestimmte Juden, denen etwa vorgeworfen wird, sich nicht an die Thora zu halten.

Neues Betätigungsfeld

Wie bei den traditionellen europäischen Antisemiten beginnt die "Erkenntnis" mit einer Leidenschaft – und das Zitatesammeln, vorzugsweise aus dem Talmud, soll den schon bestehenden Hass bestätigen. Ley hat sich bisher mit christlichem Antisemitismus beschäftigt, der Islam stellt ein relativ neues Betätigungsfeld für ihn dar.

Im Islam aber gibt es keinen Gottesmord und keine Kreuzigung – die Vorstellung, dass Gott einen Sohn gehabt haben soll, gilt als blasphemisch. Schon daher spielen die Juden eine unvergleichlich geringere Rolle als im Christentum. Außerdem waren sie im Orient eine von vielen nichtislamischen Minderheiten, denen als "Völker des Buches" (ahl al-kitab) ein relativer Schutz zukam.

Zionistische Klischees

Die Feindschaft ist eher jüngeren Datums. Und da Ley (und andere) – außer ein paar zionistischer Klischees – keine Ahnung vom Nahen Osten hat, übersieht er, dass die "islamische" Abneigung gegen Juden im Prinzip instrumentell ist: Sie soll das zionistische Projekt entlegitimieren. Der Antisemitismus europäischer Prägung hingegen benützt den Konflikt, um gegen die Juden loszuziehen.

Charakteristisch auch die "Vordenker", auf die sich Ley beruft: Da ist zunächst Bat Ye'or, die im Stil der "Protokolle der Weisen von Mekka" behauptet, von einem Geheimtreffen zwischen arabischen und europäischen Politikern zu wissen, die 1973 beschlossen haben sollen, den Alten Kontinent durch Masseneinwanderung zu arabisieren. Der Titel ihres Werkes: "Eurabia".

Dann kommt noch Mathias Küntzel, der mit seinem Werk "Jihad und Judenhass" (2002) den Ton vorgibt. Er landet bei der grotesken These, dass NS-Sympathien im Orient kausal (!) für den Konflikt um Palästina gewesen seien. Solchen Thesen trat schon David Ben-Gurion (1938), entgegen: "Das ist ein aktiver Widerstand der Palästinenser gegen das, was sie als Usurpation ihrer Heimat durch die Juden ansehen – deshalb kämpfen sie."

Palästinensisches Narrativ

Die zionistische Bewegung, der Staat Israel, Soldaten und Siedler bezeichnen sich als "jüdisch"; die Regierung erklärt sogar, für alle Juden in der Welt zu sprechen. Es bedeutet zunächst keine Diskriminierung, wenn viele Araber den Begriff "Yahud" (Jude), den sie aus Jahrhunderten kennen, verwenden.

Die israelische Propaganda (Hasbara) benützt diesen Umstand, indem behauptet wird, die Palästinenser richteten sich gegen Israel, "weil" es jüdisch sei. Dadurch soll der Widerstand entlegitimiert und international diskreditiert werden. Beim Kampf gegen einen so konstruierten "islamischen Antisemitismus" genügt ein Insistieren auf das zionistische Narrativ nicht. Es muss klargemacht werden, dass Palästinenser legitime Anliegen haben und ihre Gegnerschaft zu Israel einen legitimen Kern hat. Über den "neuen" und "islamischen" Antisemitismus kann nur dann fair diskutiert werden, wenn auch das palästinensische Narrativ angemessen berücksichtigt wird. (John Bunzl, 19.3.2019)