Eine Demonstration des National Socialist Movement in Georgia.

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Wo das reguläre Geldsystem nicht weiterhilft, soll es der Bitcoin tun. So jedenfalls lautet eines der Versprechen der bekanntesten Kryptowährung der Welt. Auch der mutmaßliche Täter von Christchurch erwähnt das digitale Geld in einem Manifest, das ihm zugeordnet wird. Doch seine Angaben dürften frei erfunden sein. Schon vor einigen Jahren will er viel Geld mit einem Investmentprogramm namens Bitconnect gemacht haben. Bitconnect startete allerdings erst 2016, entpuppte sich als Pyramidenspiel und brach 2018 zusammen – die Mitglieder sollen um 2,5 Milliarden Dollar gebracht worden sein.

Die Referenz zeigt trotzdem eines: Das Versprechen einer Alternative zum etablierten Geldmarkt übt seit Jahren auch eine Faszination auf Rechtsextreme aus. Richard Spencer, ein führender Vertreter der "White Supremacy"-Bewegung, bezeichnete Bitcoin einmal sogar als "Währung der Alt-Right" – freilich ohne selbst groß investiert zu haben. Und tatsächlich wandten sich diverse radikale Gruppen der Kryptowährung zu, weil ihnen Finanzdienstleister wie Paypal zunehmend die Zusammenarbeit verweigerten und sie dachten, den ihrer Meinung nach von Juden beherrschten Banken ein Schnippchen schlagen zu können. Und sie gingen damit krachen, wie "Foreign Policy" berichtet.

Überproportional viele Rechtsextreme

Die politische Seite des Bitcoin hat der Autor David Golumbia in einem 2016 veröffentlichten Buch erforscht. Er hält fest, dass nur ein kleiner Teil der zahlreichen Bitcoin-Nutzer ausgewiesene Faschisten oder Neonazis seien. Aber er vermutet auch, dass sie im Vergleich mit der Bevölkerung insgesamt dort stärker vertreten sind. Denn Kryptowährungscommunitys seien anfällig für Verschwörungstheorien.

Von einigen wird Timothy May, Verfasser des 1988 veröffentlichten "Krypto-anarchischen Manifests", als geistiger Vater des Bitcoin angesehen. May, der 2018 starb, äußerte aber auch immer wieder rechtsradikale Ansichten und empfahl etwa den in den USA lebenden Afroamerikanern, Hispanics und Juden einen "Trip durch die Schornsteine". Das Neonazi-Portal "Daily Stormer" veröffentlichte nach seinem Tod einen lobenden Nachruf.

Im vergangenen Winter brach der Bitcoin-Kurs erneut stark ein.
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Gescheiterte Finanzierungsversuche

Als 2017 der Preis des Bitcoin, getrieben von einem oft irrationalen öffentlichen Hype, auf ungeahnte Rekordwerte kletterte, fürchteten einige Beobachter, dass einige Rechtsextreme dabei sehr reich würden. Das lässt sich allerdings überprüfen, sobald bekannt ist, welche Wallets (digitale Geldbörsen) welchen Personen zugeordnet sind.

Da einige führende Figuren der Szene mit ihren Investments angaben oder sich durch auffallend häufige Transaktionen von Summen wie 0,0001488 Bitcoin (1488 ist ein rechtsradikaler Zahlencode, der sich aus den "14 Worten" für den Glaubenssatz weißer Neonazis sowie aus "88" als Code für "Heil Hitler" zusammensetzt) outeten, ist auch ihr Kryptovermögen gut einschätzbar. Die Blockchain zeigt alle Transaktionen, man kann stets überprüfen, wie viele Bitcoins wo liegen, wer an diese Wallets überweist und wohin diese wiederum Geld schicken. Der Sicherheitsforscher John Bambenek hat zu diesem Zweck den "Neonazi BTC Tracker" eingerichtet und vermeldet immer wieder neue Ergebnisse via Twitter.

Gerade während des Hypes seien von rechtsextremen Netzwerken immer wieder Bitcoin-Investments empfohlen worden. Einige Organisationen, etwa ein Podcast-Netzwerk und das Forenportal Gab, versuchten sich darüber zu finanzieren. Allerdings erfolglos.

Zu kompliziert

Dass der Kryptoboom von 2017 der Szene kaum Reichtum gebracht hat, hängt auch damit zusammen, dass das Prozedere zu kompliziert ist. Kaum jemand sei geneigt gewesen, sich extra ein Wallet anzulegen und Bitcoins zu kaufen, nur um eine Plattform mit kleinen Monatsbeträgen zu unterstützen, erklärt der Forscher John Harper, der sich in seinem Podcast "I Don‘t Speak German" mit der rechtsradikalen Onlineszene auseinandersetzt. Auch der Rücktausch von Kryptowährungen in Geld ist nur bei wenigen Plattformen möglich.

Teilweise wurden einschlägige Portale auch schon von Kryptobörsen sanktioniert. Nach dem Attentat auf eine Synagoge in Pittsburgh warf Coinbase Gab raus, weil der mutmaßliche Täter dort seine Tat geplant und angekündigt haben soll.

Der mangelnde Erfolg mit den eigenen Kryptoexperimenten und der seit Dezember 2017 von 17.000 auf 3.500 Euro abgestürzte Kurs des Bitcoin haben das Interesse an der Währung drastisch sinken lassen. Zwar haben die Neonazis ihre Wallets noch, doch findet die Digitalwährung kaum noch irgendwo Erwähnung. (red, 20.3.2019)