Bis 2021 soll die Revitalisierung des riesigen "Kastens" zwischen Dominikanerbastei (Bild) ...

Foto: Putschögl

... und Postgasse abgeschlossen sein.

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Teil der Fassade zur Postgasse ist auch die Kirche St. Barbara, für die ein grundbücherlich besichertes Nutzungsrecht gilt.

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Bis 2011 wurde der riesige Komplex von der Österreichischen Post als Hauptquartier genutzt, seither steht das alte Gemäuer leer.

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Beteiligt an der Revitalisierung ist auch der österreichische Künstler Sha, der zuletzt bei der Revitalisierung der alten Post in Leipzig ...

Foto: Atelier SHA

... eine Kunstinstallation beisteuerte.

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Alles war schon auf Schiene: "Post Palais" hieß das Gesamtprojekt, die Revitalisierung der alten Postzentrale in der Wiener Innenstadt an der beschaulichen Dominikanerbastei. Ein "Hotel Sacher für junge Leute" mit 80 Zimmern kündigten die Investoren Erwin Soravia (Soravia-Gruppe) und Michael Tojner (Wertinvest) beim Spatenstich vor genau einem Jahr an (siehe "Nachlese"). Dazu sogenannte "Serviced Apartments" und weitere 80 Eigentumswohnungen, mit denen sie wieder Leben in die alten Gemäuer bringen wollten.

Alles in allem war ein Investment von 200 Millionen Euro geplant. Der Vertrieb der Wohnungen war schon im Gange, 2020 hätten sie fertig sein sollen, ein Jahr später das Hotel.

"War nie ein Luxushaus"

Es kommt nun anders. Soravia und Tojner verkauften den seit 2011 leerstehenden riesigen Komplex nahe dem Stubenring im vergangenen Herbst wieder, beziehungsweise die Gesellschaft, die die Liegenschaft besitzt. Neue Eigentümer der Postgasse 8 Entwicklungs OG sind die Denkmal-Neu-Gruppe mit Sitz im deutschen Bamberg sowie eine Stiftung, die mit Denkmal Neu kooperiert. Investor soll dabei auch SAP-Gründer, Milliardär und Mäzen Hasso Plattner sein.

Die neuen Eigentümer planen nun jedenfalls ein völlig neues Projekt. Eines, mit dem "die Stadt viel Freude haben wird", wie sogar Erwin Soravia vor wenigen Wochen gegenüber dem STANDARD freimütig bekannte. Mit dem von ihm und Tojner forcierten "Palais"-Ambiente wird es nichts mehr zu tun haben. Denn: "Das war nie ein Luxushaus", sagt Thomas Scherer, Geschäftsführer der Denkmal Neu Gmbh. Er will stattdessen nun eine gemischt genutzte "lebendige" Innenstadt-Immobilie daraus machen, mit Mietwohnungen, Büros und sicher auch dem einen oder anderen Gastro-Konzept.

Die drei großen Innenhöfe nennt Scherer ein "Asset" des Komplexes, sie sollen öffentlich zugänglich gemacht werden. So wie man generell versuchen wolle, "die Nachbarschaft zu integrieren", wie Scherer dem STANDARD sagt – etwa das Universitätsgebäude gegenüber an der Postgasse. Überhaupt sei die Gegend früher von vielen Studenten bewohnt worden, es gab hier im Mittelalter einige "Bursen", also Stiftungshäuser, in denen Studenten kostenlos wohnen konnten.

Schon 2014 wurde Interesse bekundet

Mit der Bezirksvorstehung sei man noch in Abstimmungsrunden, betont Scherer; ebenso mit den Denkmalschutzbehörden. Gesucht hat die Denkmal-Neu-Gruppe die Immobilie aber "aktiv", so der Geschäftsführer. Schon 2014, als die Post den Komplex zunächst an Soravia verkaufte (Tojner stieg erst später ein), sei man daran interessiert gewesen, "damals trauten wir uns das Konzept aber noch nicht wirklich zu".

In der Zwischenzeit wurde es aber schon zweimal erfolgreich umgesetzt. Zuerst in Dresden, dann auch in Leipzig, wo im November 2018 die offizielle Eröffnung des "Lebendigen Hauses" gefeiert wurde. Auch dort gestaltete man das ehemalige Hauptpostamt um, das sich dort allerdings in sehr prominenter Lage, nämlich am belebtesten Platz der Stadt, dem Augustusplatz, befindet.

Vielfältiger Mix an Nutzungen

Die alte Leipziger Hauptpost hat noch den "Post"-Schriftzug an der Fassade, drinnen gibt es nun aber einen ausgesprochen vielfältigen Mix an Nutzungen: Wohnungen, Büros, Coworking-Spaces, Tagungsräume, Geschäfte und Showrooms, Suiten, Restaurants und Bars und ein Fitnesscenter. Und eine Kunstinstallation, gestaltet vom österreichischen Künstler und "Wahrnehmungsforscher" Sha. Er schuf im siebenten Obergeschoß ein Lichtkunstwerk, "das bei Dunkelheit den aus der Fußgängerzone kommenden Besuchern den Weg ins Objekt weist".

Auch beim geplanten "Lebendigen Haus Wien" greift man nun auf seine Unterstützung zurück, er wird auch hier für das künstlerische Konzept verantwortlich zeichnen. "Wie kann man etwas, das rund zehn Jahre leergestanden ist, wieder zum Leben erwecken?", das sei die hauptsächliche Frage, die es zu beantworten gebe, sagt er. In Leipzig wurden es die besagten Lichter, um das "tote", aber immerhin "kreativ besprayte" Gebäude an dem prominenten Platz – einem zentralen Knotenpunkt der Leipziger Straßenbahnen – wieder zu reanimieren. "Ein totes Element, aber rundherum viel Bewegung – das war dort das Grundmotiv." Man musste die Menschen "nicht erst hinbringen, sondern nur nach innen holen".

5000 Glasstäbe an der Decke

Die Installation im Lebendigen Haus Leipzig besteht aus 5000 Glasstäben von unterschiedlichen Längen, die an der Decke montiert sind und einerseits den Event- und Tagungsbereich im siebenten Stock effektvoll und farbenprächtig illuminieren, andererseits bei Dunkelheit auch weit über den Augustusplatz bis in die Fußgängerzone wirken.

Für Wien feilt Sha, der eigentlich Andreas Rodler heißt und beispielsweise 2002 auch für das "Haus der Musik" eine "interaktive Klangerfahrungswelt" schuf, schon an seinem Konzept. Viel verrät er noch nicht, aber eine vage Antwort auf die Frage, wie man das lange leerstehende Gebäude wieder reanimieren kann, hat er schon: "Da braucht es ziemlich viel Energie."

Kirche ist Teil des Ensembles

Vielleicht hilft dabei auch ein wenig die spirituelle Geschichte des Ortes. Teil des Ensembles ist nämlich auch die griechisch-katholische Kirche St. Barbara, die noch in Betrieb ist und für die ein grundbücherlich besichertes Nutzungsrecht gilt. Der Bestandsbau geht auf ein Mitte des 17. Jahrhunderts errichtetes Konviktsgebäude der Jesuiten zurück.

An der Kirche ist noch am ehesten ersichtlich, dass der gesamte ehemalige Postkomplex einst aus der Verbindung zahlreicher Bestandsgebäude entstand. Die älteste noch vorhandene Bausubstanz reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Um 1650 bestand die Liegenschaft aus nicht weniger als 17 einzelnen Parzellen mit ebenso vielen Gebäuden.

1767 bis 1773 wurde an der Adresse Postgasse 10 das Hauptmautgebäude errichtet, in das später mehrere benachbarte Gebäude eingegliedert wurden. Als 1844 das Hauptzollamt in der Hinteren Zollamtsstraße fertiggestellt wurde, entschied man sich dazu, die nun freie Immobilie zur Gänze für Postzwecke zu verwenden. Danach beherbergte der nunmehr zum "Kasten" angewachsene Komplex rund 150 Jahre lang die Zentrale der österreichischen Post.

Tiefgarage wurde umgeplant

Die Grundfläche der heutigen Liegenschaft beträgt 7500 Quadratmeter. Baugenehmigungen liegen bereits vor, die Vorbesitzer hatten ja auch schon zu bauen begonnen. Als Erstes mit der Tiefgarage, die Scherer nun aber umplanen ließ – es wird keine Autoaufzüge geben, sondern "normale Zu- und Abfahrten" – und bis zum Sommer fertigstellen will.

DenkmalNeu hat die Objektentwicklung und das operative Management über, als Wiener Partnerin mit im Boot ist aber auch Caroline Palfy, die mit ihrer cetus Development Gmbh (Kerbler Holding) das Holzhochhaus "HoHo" in der Seestadt errichtet. Die nötige Baustellen-Logistik sei einigermaßen kompliziert, sagt Scherer. Dennoch will er spätestens im ersten Halbjahr 2021 das "Lebendige Haus Wien" eröffnen, so sein Plan. Und: Die Gruppe will die Immobilie langfristig im Bestand halten, verspricht er. (Martin Putschögl, 21.3.2019)