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Tanjung Karawang, 1. November 2018: Chefermittler Muhammad Syaugi präsentiert den soeben geborgenen Flugdatenschreiber.

Foto: AP/Fauzy Chaniago

Wien / Addis Abeba – Die Piloten der im Oktober verunglückten Boeing 737 Max der indonesischen Lion Air haben Insidern zufolge vor dem Absturz noch im Handbuch nach einer Lösung des Problems gesucht. Kurz vor dem Absturz habe der Kapitän das Steuer dem Ersten Offizier übergeben, um selbst noch einmal in der Anleitung nachzusehen.

Während der 31-jährige Kapitän vergeblich gesucht habe, habe der 41-jährige Erste Offizier die Kontrolle über das Flugzeug verloren. "Es ist wie ein Test, bei dem es hundert Fragen gibt, und wenn die Zeit abgelaufen ist, hat man nur 75 beantwortet", sagte eine Person der Nachrichtenagentur Reuters, der die Aufnahmen aus dem Cockpit bekannt sind. "Also gerät man in Panik." Die Passagiermaschine war am 29. Oktober kurz nach dem Start in Jakarta ins Meer gestürzt.

189 Todesopfer

Die Sprachaufzeichnungen sind umso interessanter, als die zuletzt in Äthiopien verunglückte Boeing der Ethiopian Airlines vom gleichen Typ war und Experten ähnliche Gründe für den Absturz vermuten. Nach Aussagen der drei Insider waren die Piloten des Lion-Air-Fluges die meiste Zeit über ruhig geblieben. Der in Indien geborene Kapitän sei am Ende ganz still gewesen, der indonesische Erste Offizier rief "Allahu Akbar". Dann prallte das Flugzeug auf das Wasser, 189 Menschen starben.

Einem vorläufigen Bericht zufolge, der im November veröffentlicht worden war, begannen die Probleme beim Lion-Air-Flug kurz nach dem Start. Der Kapitän steuerte das Flugzeug, als der Erste Offizier nach wenigen Minuten Probleme mit der Flugsteuerung meldete. Eine der Personen, die mit den Aufzeichnungen des Sprachrecorders vertraut sind, sagte, der Kapitän habe den Ersten Offizier daraufhin gebeten, im Handbuch mit Kurzanleitungen für ungewöhnliche Ereignisse nachzusehen.

Dem Bericht zufolge meldete die Besatzung einen Strömungsabriss, als Reaktion wurde die Nase hinuntergedrückt. "Die Piloten scheinen nicht bemerkt zu haben, dass das Stabilisierungssystem nach unten drückt", sagte einer der Insider. "Sie dachten nur an Fluggeschwindigkeit und Höhe. Das war das Einzige, worüber sie sprachen."

Insider wollten anonym bleiben

Zum ersten Mal kommen nun Inhalte aus den Aufzeichnungen des Sprachrecorders an Bord des Lion-Air-Flugzeugs an die Öffentlichkeit. Die drei Insider kennen die Aufnahmen aus dem Cockpit und haben der Nachrichtenagentur Reuters unter Zusicherung ihrer Anonymität davon berichtet. Reuters liegen die Aufzeichnungen oder deren Transkript nicht vor.

Der im November veröffentlichte vorläufige Untersuchungsbericht enthält keine Inhalte des Sprachrecorders, da dieser erst im Jänner vom Meeresboden geborgen werden konnte. Der endgültige Bericht könnte im Juli oder August vorliegen. Ein Sprecher der Fluglinie verwies darauf, dass alle Unterlagen und Informationen den Behörden übergeben worden seien, und lehnte eine Stellungnahme ab. Boeing wollte ebenfalls keinen Kommentar abgeben.

Nach den Abstürzen der beiden Boeing 737 Max mit insgesamt 346 Toten steht das Stabilisierungssystem MCAS im Fokus der Untersuchungen. Es soll eigentlich bei zu steilem Flugwinkel einen Strömungsabriss verhindern, indem es automatisch die Nase der Maschine senkt. Boeing hat seinen Kunden empfohlen, die rund 350 betriebenen Maschinen vorerst am Boden zu lassen. Zuvor hatten nationale Behörden weltweit Startverbote für das Flugzeugmodell verhängt, das erst seit 2017 am Markt ist. Die Auslieferungen der 737 Max wurden gestoppt. Die EU und Kanada haben angekündigt, die Maschinen erst dann wieder abheben zu lassen, wenn sie sich selbst von deren Sicherheit überzeugt haben. (red, APA, Reuters, 20.3.2019)