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Ein Bild aus besseren Tagen: Ungarns Premier Viktor Orbán und EVP-Fraktionschef Manfred Weber hatten schon harmonischere Zeiten.

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Budapest/Brüssel – Als Manfred Weber Mittwochfrüh aufwachte, schien seine Welt in Ordnung zu sein. Der Fraktionschef der Europäischen Christdemokraten (EVP) im Europäischen Parlament, der bei den EU-Wahlen im Mai als Spitzenkandidat antritt, um nach einem Wahlsieg seiner Parteienfamilie nächster Kommissionspräsident nach Jean-Claude Juncker zu werden, glaubte, das heikelste Thema für den Wahlkampf gelöst zu haben. Vorläufig zumindest.

So kann man sich täuschen. Für Nachmittag war eine große Sitzung des EVP-Vorstandes in Brüssel angesetzt, bei der über den von 13 Mitgliedsparteien (von insgesamt 51) aus neun Ländern geforderten Ausschluss der ungarischen Fidesz entschieden werden sollte. Weil diese mit ihrem Premierminister Viktor Orbán ständig gegen die Werte der Partei verstoße, sogar antisemitische Wahlkämpfe führe, habe sie keinen Platz mehr in der EVP, argumentieren die Kritiker.

Juncker bekräftigte am Mittwoch seinen Wunsch nach dem Fidesz-Ausschluss.Genau das wollten Weber und EVP-Präsident Joseph Daul unbedingt verhindern, weil der Abgang der Ungarn nicht nur die EVP in Straßburg empfindlich schwächen würde – es geht um den Verlust von zwölf Mandaten.

Evaluierung mit Schüssel

Der Fraktionschef hatte die Sache Orbán daher vor zwei Wochen an sich gezogen und der Fidesz drei Bedingungen gestellt, die sie bisher einigermaßen erfüllte: Einstellung der Plakatkampagne gegen Juncker und George Soros, Entschuldigung bei der EVP und Rechtssicherheit für die Zentraleuropäische Universität in Budapest. Weber schlug am Mittwoch noch vor, dass die Ungarn nicht sofort ausgeschlossen werden, sondern zunächst nur die EVP-Mitgliedschaft auf sechs Monate suspendiert wird.

Unter dem Vorsitz des ehemaligen Ratspräsidenten Herman van Rompuy und mit ehemaligen Parteigranden wie Wolfgang Schüssel oder Hans-Gert Pöttering solle zusätzlich ein Evaluierungskomitee die Fidesz durchleuchten, um im Herbst einen Bericht als definitive Entscheidungsgrundlage vorzulegen. Weber betonte, dass sich die Diskussion nur an der umstrittenen Kampagne entzündet hatte, nicht aber an der rigiden ungarischen Einstellung zu Migration. Die Chefin der stärksten EVP-Gruppe, Annegret Kramp-Karenbauer, bestätigte das. Man wolle unbedingt "Brücken bauen", besänftige sie. Nur aus Luxemburg kamen dem Vernehmen nach harte Töne.

Die EVP-Granden hatten die Rechnung ohne Orbán gemacht. Er könne einen Vorschlag, in dem eine Suspendierung enthalten sei, "nicht akzeptieren". Er drohte in diesem Falle damit, dass die Fidesz von sich aus aus der EVP austreten würde. Am Abend wurde darüber diskutiert, keine Suspendierung auszusprechen, sondern nur das Evaluierungskomitee zu installieren. (Thomas Mayer aus Brüssel, 20.3.2019, red)