Wien – Von einem Tag auf den anderen stand Sofie Sagmeister vor einem Rätsel: Wie wird es weitergehen mit ihrem Unternehmen, mit den Mitarbeitern, für die sie Verantwortung trägt? Die Wienerin hat mit Magu einen der ersten CBD-Shops in Wien eröffnet, mittlerweile gibt es zwei Filialen, und die Produkte können auch online gekauft werden. Die Produkte – das sind CBD-Öle, Gel, wasserlöslicher Spray, Blüten und Hanftee.

CBD steht für Cannabidiol. Es ist einer von hunderten Wirkstoffen der Cannabispflanze. Im Gegensatz zum bekanntesten dieser Wirkstoffe – THC – wirkt CBD aber nicht psychoaktiv.

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Darf in Österreich seit einigen Wochen nur mit dem Hinweis verkauft werden, dass es nicht zum Verzehr geeignet ist: CBD-Öl.
Foto: Reuters/RALPH ORLOWSKI

Neuartiges Lebensmittel – oder nicht

Zurück zu dem Moment, an dem Sagmeister vor einem Rätsel stand. Grund dafür war eine Aussendung des Gesundheitsministeriums. Man mache per Erlass nochmals auf die bestehende Gesetzeslage aufmerksam, hieß es da: "Cannabinoid-haltige Extrakte, die zumeist als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt gebracht werden, zunehmend aber auch in Lebensmitteln wie beispielsweise Süßwaren oder Kuchen eingesetzt und angeboten werden, fallen unter die 'Novel-Food'-(Neuartige-Lebensmittel-)Verordnung der EU und dürfen daher nicht in Verkehr gebracht werden." Sagmeister – und alle anderen CBD-Unternehmer – befürchteten also ihr Aus.

Ein kleiner Trick

Drei Monate später sieht die Welt schon anders aus: Das Geschäft im siebenten Bezirk ist gut besucht, meist sind es ältere Damen, die kommen und nach CBD-Öl fragen, manche von ihnen in Begleitung ihrer Kinder oder Enkel. "Die Jüngeren kennen sich meist mit den Dosierungen aus oder können das schnell am Smartphone recherchieren. Wir dürfen diesbezüglich ja nicht beraten", sagt Sagmeister. Die Regale sind gefüllt. Auch mit dem – eigentlich verbotenen – Öl.

Der Trick: Auf dem Etikett steht statt "Nahrungsergänzungsmittel" nun "Aromaprodukt", außerdem ein Hinweis, dass die Produkte nicht zum Verzehr geeignet sind. "Ich wechsle mein Gewand, aber innen bin ich noch immer dasselbe", heißt es auf der Facebook-Seite von Magu.

Bringt der Erlass also am Ende gar nichts, und die Unternehmer konnten weiter vom CBD-Hype profitieren? Keineswegs. Tatsächlich merken mehrere Unternehmen in Wien starke Auswirkungen der CBD-feindlichen Politik des Gesundheitsministeriums. Sagmeister musste sich beispielsweise von Mitarbeitern trennen.

Verschiedenste Einbußen

Ein anderes Unternehmen, das sich vollkommen auf den Vertrieb von Ölen an Apotheken konzentrierte, musste von zehn Mitarbeitern fast alle kündigen. In Apotheken dürfen nämlich nur noch magistral zubereitete Mischungen verkauft werden. Ausgerechnet ein Parteikollege der Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ignorierte das in seiner Apotheke – er sprach von einem Missverständnis. Die Einschränkung betrifft auch das Unternehmen von Sagmeister, da sie ihre Öle selbst produziert und auch an Apotheken lieferte. "Die haben uns also die Produkte zurückgeschickt."

Eine finanzielle Mehrbelastung kam für die meisten Shops auch durch neue Etiketten beziehungsweise Werbemittel zustande, alte Produkte mussten ausgetauscht werden, Rechtsberatung wurde eingeholt. Das summiert sich.

Nicht alle Unternehmen nehmen es mit dem Erlass so genau, wie ein Spaziergang durch die Wiener Shops offenbart. Da steht vielerorts noch CBD-Kaffee, -Schokolade oder -Honig herum. Bei Kontrollbesuchen hätten Behörden darauf hingewiesen, dass diese Produkte schnell verbraucht oder verkauft werden sollten, erzählen Shopbesitzer. Wegwerfen brauche man sie aber nicht. Das Motto: informieren statt strafen.

Der CBD-Brownie bei Aida war beliebt – wird seit der Klarstellung aus dem Ministerium aber nicht mehr verkauft.
Foto: Cremer

Sorge vor Strafen

Auf der anderen Seite sind viele CBD-Unternehmer aus Sorge vor hohen Strafen aber sehr vorsichtig. Das Ministerium kontrolliere umfassend, sagt etwa Sagmeister. Wenige Wochen nach dem Erlass habe sie Post aus dem Ministerium bekommen – eine Mahnung: Auf ihrer Website befinde sich ein Link auf eine Unterseite eines Hanfmagazins. "Und das Ministerium hat argumentiert, dass es dort in anderen Artikeln um CBD in der Medizin geht. Für Laien sehe das so aus, als würden wir unser Aromaprodukt als Arzneimittel präsentieren." Sagmeister habe eine Woche Zeit bekommen, den Link zu entfernen, "sonst hätten wir eine Strafe über 75.000 Euro bekommen. Der Link war in einem Blogeintrag von vor über einem Jahr. Also, es wird alles sehr genau angesehen."

Kunden verärgert und verunsichert

"Über kurz oder lang werden sich Anwälte ausmachen, wie das alles weitergeht", sagt Thomas Priester. Er glaubt, dass es "über kurz oder lang" zu einem Genehmigungsverfahren für alle CBD-Nahrungsergänzungsmittel kommen wird. In seinem Shop Evergreen Hanf, der erst vor etwas mehr als einem Jahr eröffnete, kann er sich über gesunkenes Kundeninteresse nicht beklagen. Aber auch er sieht eine "schwierige Situation und keine hundertprozentige Rechtsgrundlage".

Für seine Kunden hofft er, dass keine weiteren Einschränkungen kommen. Warum setzen die auf CBD? "Meistens geht es da um Schmerzen, aber auch um besseres Schlafen. Nervosität oder Depressionen sind auch Themen."

Auch Sagmeister hofft, dass die Kunden nicht weiter verunsichert werden. Nachdem die Neuigkeiten über den Erlass im Dezember Thema in der "Zeit im Bild" waren, sei am nächsten Tag alles ausverkauft gewesen. "Viele waren verärgert. Und natürlich besorgt, dass sie keine Produkte mehr bekommen. Eine Frau hat gleich zwölf Flaschen auf einmal gekauft."

Andere Märkte

Natürlich habe sie im ersten Moment nach der Info zum Erlass überlegt, ob der Verkauf in Österreich überhaupt noch Sinn ergebe, sagt Sagmeister. Sie ärgert sich über die Politik, andere Länder würden mit dem Thema viel fortschrittlicher umgehen, zum Beispiel Deutschland. Von deutschen Apotheken bekomme sie auch regelmäßig Anfragen wegen ihrer Produkte. Kommen weitere Einschränkungen, habe sie jedenfalls einen Plan B. (Lara Hagen, 27.3.2019)