Sozialministerin Beate Hartinger-Klein will Flüchtlinge zur Arbeit zwingen: am besten auf den Feldern, als Erntehelfer oder zur Schädlingsbekämpfung. Das sagte sie zu Beginn der vergangenen Woche, und die erwartbare Aufregung trat ein. Nun wird die blaue Suppe nicht gar so heiß gegessen, wie sie aufgekocht wurde. Aus der angedrohten "Zwangsarbeit" soll nun eine straffere Jobvermittlung durch das Arbeitsmarktservice (AMS) werden, und im Übrigen leiden viele Flüchtlinge eher darunter, dass sie zu lange nicht arbeiten dürfen, als dass sie dies nicht wollen.

Ist also eh nichts passiert? Ist Hartinger-Klein nur ungeschickt vorgeprescht? Meinte sie es am Ende nur gut und wurde leider missverstanden? Das ist auszuschließen. Der Satz mit den Flüchtlingen und den Schädlingen wurde so gesagt. Und er wurde so gemeint. Und so bleibt er auch bei den Zuhörern hängen. In der österreichischen Atmosphäre schwebt nun der Zusammenhang von Flüchtlingen und Schädlingen. Man kann davon ausgehen, dass er absichtlich hergestellt wurde.

Francis Fukuyama, dessen neues Buch "Identität" gerade weltweit die Bücher-Charts stürmt, hat den Aufstieg rechter Parteien in Europa genau beobachtet.. Das Muster, sagte er unter anderem im STANDARD-Gespräch, sei überall ähnlich. Erst werde die Wut vieler Menschen auf sich umstürzende Verhältnisse in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik geschürt und instrumentalisiert. Stellen sich Wahlerfolge ein, schaffen es rechte Parteien dann häufig mithilfe der Bürgerlichen an die Macht. Einmal an der Regierung, setzen Rechtsparteien ihre Agenda zielstrebig um und vergiften das gesellschaftliche Klima weiter durch Hege und Pflege von Feindbildern. Die mitregierenden bürgerlichen Parteien verändern sich durch den Einfluss und die Koalitionsräson ebenfalls und driften auch nach rechts – erst mit Worten, dann mit Taten.

Brutale Sprache

An der ÖVP lässt sich das gut beobachten. Sätze, die vor wenigen Jahren noch unsagbar gewesen wären, werden mit großer Selbstverständlichkeit ausgesprochen. Der Kanzler selbst verteidigte vor kurzem die Einführung der stark gekürzten Mindestsicherung (jetzt Sozialhilfe) damit, dass das System "viel zu attraktiv für Migranten, für Zuwanderer ins Sozialsystem" sei. Allein diese Formulierung lässt tief blicken.

Das Verblüffendste überhaupt ist freilich, dass sich kein ÖVP-Regierungsmitglied, aber auch unter den Landeshauptleuten und ranghohen ÖVP-Funktionären niemand findet, der an Herbert Kickls "Ausreisezentren" Anstoß nimmt. Der Innenminister hat jene Behörde, die dafür zuständig ist, Asylanträge objektiv und unvoreingenommen zu prüfen, zielgerichtet umbenannt – zynischer geht es kaum. Und niemand in der ÖVP findet sich, der das für unsäglich hält? Kardinal Christoph Schönborn zumindest nannte dies eine "brutale Sprache" – eine offene Kritik des Kirchenoberhaupts an der Regierung. Nicht einmal das hat der ÖVP einen Ruck gegeben. Die spannende Frage lautet: Wo ist bei der Kanzlerpartei die rote Linie? Gibt es sie überhaupt?

Sollte die Strategie der Regierung lauten "Rechts von uns darf kein Platz sein", so lohnt sich ein Blick in die Niederlande. Bei den dortigen Regionalwahlen wurde der Rechtspopulist Geert Wilders gerade von dem noch weiter rechts stehenden Thierry Baudet überholt. Die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas schreitet indessen voran. (Petra Stuiber, 24.3.2019)